Das Symposium PFERDE 2022 suchte die Diskussion zum Thema «Langeweile und Überforderung» mit zahlreichen bekannten Experten und Expertinnen aus dem In- und Ausland. Die Podium Sprecher setzten sich aus verschiedenen Reitweisen, Berufen rund um das Pferd und rassenübergreifend zusammen. Das Wissen dieser authentischen «Pferdeprofis», mit insgesamt gut 400 Jahren praktischer Tätigkeit am Pferd sucht seinesgleichen. Alle haben eines gemeinsam: Faszination Pferd. Es gilt der Tatsache, dass die letzten Jahrzehnte eher «Menschen mit Pferden» statt echten Pferdemenschen hervorbrachten, mit Gelassenheit zu begegnen, um die Chance zu nutzen, die Schönheit und Wahrheit rund um das hippologische Universum wieder gedeihen zu lassen. Nicht die äussere Form ist das Kriterium, auch nicht der Reitstil sondern immer die Harmonie, die Bewegungsqualität eines Reiter-Pferde-Paares. Die klassische Reitweise ist die Grundlage jeder Ausbildung von Reiter und Pferd. Aber was ist das klassische Reiten eigentlich? Es ist simpel: Gutes Reiten = Reitkunst! In jeder Reitweise umsetzbar! Denn klassisch bedeutet ein harmonisches Fördern und Formen des Reitpferdes und des Reitenden. Die oder der Reitende soll das gute Handwerk, welches eine Pflicht ist, lernen. Die Ausbildung des Pferdes sowie auch des Reitenden soll ausgewogen, gleichmässig und wohl proportioniert sein. Wichtig dabei ist, dass die Pferdebranche über das alte und das moderne Wissen verfügen und es in der Praxis korrekt vermitteln können.
Wir können alle unsere Begeisterung nutzen, um vereint daran zu arbeiten, dass der Pferdeverstand und die angeborenen Bedürfnisse des Pferdes wieder ins Zentrum gerückt werden. Stehen wir einfach zusammen, um gemeinsam den Reitsport, Reitweisen übergreifend, ins positive Licht zu stellen!
Sieben Fragen aus den Podiumsdiskussionen gestellt an sechs teilnehmenden Pferdepersönlichkeiten. Die Antworten könnten nicht spannender ausfallen. Wenn wir die Vorschläge und Ideen daraus umsetzen können, sind wir einen grossen Schritt weiter zu einem fairen Umgang mit unserem Partner Pferd.
Ich danke der Zeitschrift PASSION für die Gelegenheit, diese Einleitung schreiben zu dürfen.
Corinne Hauser
Berni Zambail
Berni Zambail ist als sechs Stern Parelli Instruktor eine bekannte Pferdepersönlichkeit in ganz Europa. Seine Passion gehört der klassischen Dressur. Auf diesem Gebiet bildet er sich immer noch bei verschiedenen Reitlehrer und Lehrerinnen weiter. Als ursprünglich gelernter Hufschmied ist seine Beziehung zu Pferden eine bereits sehr lange.
zambail.com
Das Pferd, der geborene Athlet
Es ist auf Leistung getrimmt – von Geburt an. Die Frage ist nicht, ob sie können, sondern vielmehr, ob sie sollen?
Wenn wir uns mit Pferden auseinandersetzen, vernünftige Wege finden und ihnen ihren Bedürfnissen entsprechende Bedingungen schaffen, dürfen Pferde ihren Anlagen gerecht trainiert, geritten und gearbeitet werden. Sie wollen nicht als „Schosshündchen“ in einem schlecht geführten Offenstall irgendwie zusammengepfercht verkümmern. Wer an sich arbeitet und das Training ernst nimmt, darf auch Leistung verlangen. Das Pferd darf gefordert, aber nicht überfordert werden. Wir müssen Pferde motivieren mit uns Menschen zu kooperieren und uns als Partner zu betrachten. Einmal „sauer“ gemacht, wird es ein steiniger Weg die Motivation in ihnen wieder zu wecken. Pferde sollen arbeiten, einmal am Tag eine halbe Stunde spazieren gehen reicht nicht. Pferde müssen galoppieren können um ihre Atmung mal so richtig in Schwung zu bringen. Um die geforderten Leistungen erbringen zu können, braucht es qualitativ hervorragendes Futter. Vor allem Heu. Nicht den billigsten Heuanbieter wählen, mit dem verschmutzten Futter. Mir ist bewusst, dass Stallbetreiber wirtschaftlich denken und handeln müssen. Es bedingt aber auch eine gewisse Verantwortung gegenüber den anvertrauten Tieren. Es ist machbar Geld zu verdienen und einen guten Job zu machen!
Die Pferde werden immer athletischer, schneller, beweglicher und die Menschheit wird träger, langsamer und ängstlicher. Wohin führt das?
Mir fehlen zunehmend Pferde, welche robust sowohl im Ex – wie im Interieur gezüchtet werden. Diese würden sich dann auch besser für den durchschnittlichen Reiter eignen. Ich sage es ganz deutlich, die heutige moderne Pferdezucht ist für mich ein „Schwerverbrechen“. Da werden längere Vorderbeine, beweglichere Rücken herausgezüchtet, um das Richtergremium zufrieden zu stellen. Deformierte Halswirbel sind nur ein negativer Aspekt einer solchen Zucht. Pferde werden immer mehr zu „Wegwerfartikeln“, die moderne Zucht ist nicht auf längerfristigen Gebrauch der Pferde ausgerichtet. Ich als Trainer brauche ein gesundes Pferd, sowohl im Kopf wie im Körper. Ich stecke viel Zeit in die Ausbildung und verdiene damit mein tägliches Brot. Daher tue ich alles um mein Pferd möglichst lang fit, agil und arbeitsfreudig zu erhalten.
Wie wird eine Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit für den Pferdesport erreicht?
In England und den USA gibt es eine breite Strömung in der öffentlichen Wahrnehmung, welche dafür plädiert, den Pferdsport ganz zu verbieten. Ich sehe ein hier grosses, fast unlösbares Problem. Zum einen sind da die sozialen Netzwerke mit den Möglichkeiten jegliche Informationen, sei es wahr oder „fake“, rasch und mit Bildern dokumentiert hochzuladen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zudem ist durch diese Informationsflut heute jeder und jede „Experte“ und hat seine ganz eigene Meinung, leider nicht immer fundiert und seriös. Das dient der Problemlösung überhaupt nicht.
Zum anderen sind da die offiziellen Stellen wie die FEI (Internationale Reiterliche Vereinigung), welche darüber nachdenkt die „Blood rules“ aufzuheben. Die Verbände müssten sich dazu durchringen um geschlossen nach aussen aufzutreten und die beschlossenen Regeln konsequent umzusetzen und bei grobem tierschutzwidrigem Reiten hart durchzugreifen.
Wird das Fluchttier Pferd in der heutigen Zeit zu wenig bewegt?
Ja in vielen Fällen ist das so. Die Rolle des Pferdes hat sich verändert. Weg vom Arbeitstier hin zum Partner, Tröster, Therapeuten und Seelenverwandten. Damit habe ich grundsätzlich kein Problem, wenn dem Pferd die Möglichkeit geboten wird, seine Energie und seinen Bewegungsdrang auszuleben. Sei das in einer Herde auf der Weide zu galoppieren oder als Handpferd ins Gelände zu gehen, wenn sich beispielsweise der Besitzer nicht getraut selbst auszureiten. Kopflos longieren ist zwar bewegt, aber nicht pferdegerecht. Ich plädiere dafür, den Pferden Aufgaben zu stellen. Intelligente Arbeit macht den Unterschied.
Wird die vollendete Reiterei und das Trainieren von Pferden immer eine Kunst bleiben?
Von „Kunst“ ist nicht mehr viel vorhanden! Wenn ich den Begriff „Kunst“ im Umgang mit Pferden verwende, dann heisst das für mich in erster Linie nicht das Können einer perfekten Piaffe oder Passage. Es bedeutet viel mehr, habe ich genug Wissen über Pferde? Bin ich körperlich fit und habe ich Rhythmus und Gefühl im Sattel? Bleibe ich konstant an der Verbesserung meines reiterlichen Könnens? Wenn ich Künstler werden will, muss ich anfangen zu lernen. Reiten können ist mehr als nicht runterzufallen, wenn das Pferd mal unerwartet zur Seite springt.
Wie könnte eine gemeinsame, breit abgestützte Zusammenarbeit aller pferdeaffinen Gruppierungen aussehen?
Diese Frage habe ich schon beantwortet. Es braucht eine geschlossene Haltung aller Pferdemenschen gegen Aussen. Also jeder einzelne von uns muss sich der Verantwortung bewusst sein, wie ihn die Öffentlichkeit mit seinem Pferd wahrnimmt.
Was heisst ethisch korrekt gegenüber dem Pferd?
Ethik setzt sich aus all den gegebenen Antworten in diesem Interview zusammen. Also Haltung, Fütterung, die Art des Trainings und des Reitens, die Ausbildung und meine innere Haltung gegenüber allen Tieren und Menschen. Ethik bedeutet, wenn ich mich nach getaner Arbeit mit gutem Gewissen im Spiegel betrachten kann.
Das Pferd, der geborene Athlet. Es ist auf Leistung getrimmt – von Geburt an. Die Frage ist nicht, ob sie können, sondern vielmehr, ob sie sollen?
Das Pferd wurde zum Athleten in speziellen Rassen (Vollblut, Araber, Quarter Horse) über Generationen zum Laufathleten herausgezüchtet. Andere Rassen wir Kaltblüter wurden arbeitswillige Schwerarbeiter. Wenn, wie bei den Vollblütern in Hochzuchtländern, nur gut 10 Prozent der Youngsters jemals eine Rennbahn sehen, deutet dies daraufhin, dass nur ein kleiner Teil über die Voraussetzungen verfügen, sich auf der Rennbahn durchzusetzen. Als Rennpferde wurden sie aber gezüchtet, umso schwieriger wird es dann, wenn sie nicht richtig beschäftigt werden. Inwiefern Pferde für den Sport eingesetzt werden sollen, hängt aus unserer Sicht von mehreren Faktoren ab, u.a. ob Pferde es selbst gerne machen, sie dürfen nicht überfordert und ihnen dürfen keine Schmerzen (u.a. auch mittels Hilfsmittel und scharfen Gebissen) zugefügt werden.
Sandra Schaefler
Sandra Schaefler, dipl. Zoologin, Fachstelle Heimtiere und Pferde, Schweizer Tierschutz STS
www.tierschutz.com
Die Pferde werden immer athletischer, schneller, beweglicher und die Menschheit wird fauler, langsamer und ängstlicher. Wohin führt das?
Der Mensch verlangte schnelle Athleten genauso wie muskulöse Schwerarbeiter oder vielseitige Reitpferde, die in Dressurprüfungen eingesetzt wurden. Über gezielte Anpaarungen wurde als Zuchtkriterium nur noch auf das Gangwerk geschaut, mit dem Resultat, dass immer mehr Pferde angeborene Mängel (bspw. ECVM Equine Complex vertebral malformation) aufweisen und frühzeitig euthanasiert werden müssen. Gleiches lässt sich auch bei Springpferden sagen: In dieser Sparte suchen die Züchter genauso nach Gen-Kombinationen, die einen Zuchtfortschritt versprechen. Der Erfolg blieb auch hier nicht aus, wir haben heute zweifellos viel beweglichere Pferde wie vor 50 Jahren. Manche Zuchten möchten einen Olympiasieger hervorbringen. Nur wenige Pferde schaffen es aber ganz an die Spitze. Die restlichen Pferde verfügen über ein vergleichbares Leistungspotenzial und verlangen von den Reiterinnen und Reitern entsprechendes reiterliches Können, um mit diesen Veranlagungen als Hochleistungspferd umgehen zu können. Wenn die reiterlichen Voraussetzungen fehlen, kommt es zu Überforderungen, manche entwickelt man sogar eine Angst vor dem eigenen Pferd.
Langsamkeit ist im Umgang mit Pferden kein Nachteil, nervöse und hastige Menschen bringen die Pferde aus der Ruhe. Angst vor dem eigenen Pferd führt zu einer schlimmen Negativspirale und endet leider meistens darin, dass die Pferde nicht mehr genutzt werden. Unerlässlich ist jedoch, dass man Pferde beschäftigt und sie nicht tagelang im Stall, in einer kleinen Einzelboxe, herumstehen lässt. Ebenfalls problematisch ist, dass Reitergewicht und Pferdegewicht/Pferdefitness nicht immer zusammenpassen. Hierzu hat der STS gemeinsam mit dem Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) eine Broschüre publiziert.
Wie wird eine Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit für den Pferdesport erreicht?
Wäre der Umgang stets gut, die Ausrüstung tierfreundlich und wären die Pferde nie überfordert, gäbe es mehr Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit. Solange gar Spitzensportler in aller Öffentlichkeit Pferde „überkorrigieren“ und Offizielle nicht einschreiten, wenn Pferde überfordert werden, melden sich kritische Stimmen aus der Gesellschaft zu recht.
Nicht zu vergessen ist die Haltung: Noch viele wertvolle Sportpferde stehen tagtäglich allein in der Boxe und gehen allein auf die Weide. Dies aus Angst vor Verletzungen. Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass sich das Pferd als soziales Wesen in einer Herde viel wohler fühlen würde. Wird das Herden- und Bewegungstier Pferd hiermit in seiner Anpassungsfähigkeit nicht überfordert?
Wird das Fluchttier Pferd in der heutigen Zeit zu wenig bewegt?
Der Ausdruck Fluchttier ist hier falsch gewählt. Pferde sind nicht 24 Stunden im Tag auf der Flucht. Eine Flucht dauert in freier Wildbahn nicht lange, meistens nur wenige Minuten. Wie einfach wäre es, man müsste Pferde nur ein paar Minuten pro Tag bewegen und alles wäre geregelt. Aufgrund ihres Fressverhaltens bewegen sich Pferde auf der Suche nach dem besten Futter jedoch sehr lange, sie interagieren in der Herde und müssen stets aufmerksam sein. In menschlicher Obhut sehen wir tatsächlich oft gelangweilte Pferde, die nur herumstehen und sowohl mental als auch körperlich unterfordert sind. Die geistige wie auch physische Auslastung ist aber sehr wichtig. Wir sehen deshalb zwei Problemfelder, die der Unterforderung und Langeweile auf der einen, die der Überforderung und Überlastung von Pferden auf der anderen Seite.
Wird die vollendete Reiterei und das Trainieren von Pferden immer eine Kunst bleiben?
Ja, es gibt Künstler, Kleinkünstler und Handwerker. Persönlichkeit und Einfühlungsvermögen spielen im Umgang mit Pferden eben eine sehr wichtige Rolle. Eine vollendete Reiterei wird es aber nie geben, es gibt immer noch das eine und andere zu verbessern.
Wie könnte eine gemeinsame breit abgestützte Zusammenarbeit aller pferdeafinen Gruppierungen aussehen?
Das Pferd ist in den Mittelpunkt zu stellen, die eigenen Bedürfnisse und Vorstellungen entsprechend anzupassen, im Sinne des Tierwohls. Es sollte Konsens darüber bestehen, dass das Ziel eine möglichst tiergerechte Haltung und Nutzung von Pferden ist, ohne Schmerz, Leid, Angst und Überforderung zu verursachen. Grundpfeiler sind Aufklärung und eine korrekte, tierschutzaffine Ausbildung. Der Austausch zwischen verschiedenen Gruppierungen ist unabdingbar.
Was heisst ethisch korrekt gegenüber dem Pferd?
Ein Pferd ist ein Pferd, unabhängig von der Rasse, dem Alter, dem Geschlecht und dessen Einsatz in Zucht, Freizeit und Sport. Seine Grundbedürfnisse müssen respektiert, seine Anpassungsfähigkeit darf nicht überfordert werden. Ethisch korrekt sein gegenüber dem Pferd bedeutet, ihm eine möglichst artgerechte Haltung zu ermöglichen, mit ihm pferdegerecht umzugehen und ihm weder Leid, Schmerz noch Angst zuzumuten. Seine Bedürfnisse stehen stets über den persönlichen Interessen und Ambitionen der Menschen.
Dr. Stéphane Montavon und Charles Trolliet
Dr. med. vet. Stéphane Montavon, hat in Bern Veterinärmedizin studiert. Seit 2003 ist Stéphane Montavon Chef Veterinärdienst der Schweizer Armee. Er ist damit der fachtechnische Vorgesetzte sämtlicher Armeeveterinäre und hat die Sparte Pferd des VBS (Train und NPZ) unter sich. Seit 2005 gehört Montavon als Chef Technik der Leitung der Disziplin Springen an und hat als Co-Equipenchef die Schweizer Springreiter an viele Turniere begleitet.
Charles Trolliet war während 12 Jahren Präsident des SVPS.
Das Pferd, der geborene Athlet
Es ist auf Leistung getrimmt – von Geburt an. Die Frage ist nicht, ob sie können, sondern vielmehr, ob sie sollen?
Die Domestizierung des Pferdes reicht etwa 7000 Jahre zurück. Diese Domestizierung brachte verschiedene Veränderungen im Leben der Pferde mit sich, auch wenn ihr Körperbau und ihr Ethogramm weitgehend unverändert blieben. Eine dieser Veränderungen ist der geringere Bedarf an körperlicher Aktivität, sei es zur Nahrungsaufnahme oder zur Flucht vor Raubtieren. In diesem Sinne stellt die Nutzung von Pferden eine gewisse “Kompensation” für diese Abnahme dar und ist zudem für den Menschen von Vorteil, sei es in Form von Arbeit oder sportlicher Aktivitäten, sowohl in der Freizeit als auch im Wettkampf. Wenn das Leistungsniveau den eigenen Fähigkeiten des einzelnen Pferdes sowie seinem Ausbildungs- und Trainingsstand entspricht und diese Leistungen unter Wahrung des Wohlergehens und der Würde des Tieres erzielt werden, sind sie daher ethisch akzeptabel oder sogar wünschenswert.
Die Pferde werden immer athletischer, schneller, beweglicher und die Menschheit wird fauler, langsamer und ängstlicher. Wohin führt das?
Ich bin mir nicht sicher, ob diese Analyse völlig richtig ist… Es stimmt, dass einige Pferderassen wegen ihrer Schnelligkeit oder Wendigkeit gezüchtet wurden, aber andere wurden wegen ihrer Widerstandsfähigkeit, ihres leichten Charakters und ihrer guten Anpassungsfähigkeit selektiert.
Bei den Menschen ist die Risikobereitschaft wahrscheinlich etwas gesunken, stattdessen wird eher nach Schnelligkeit gesucht, um ein Ergebnis zu erreichen, was manchmal auf Kosten der Qualität des Ergebnisses geht. Es ist hingegen nicht falsch zu sagen, dass der heutige Mensch zu einer gewissen Faulheit neigt bzw. nach Lösungen sucht, die weniger Anstrengung erfordern, auch in seiner Beziehung zum Pferd.
Dies kann dazu führen, dass die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Pferde nicht ausreichend analysiert werden und die Tendenz besteht, entweder die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen oder die Pferde zu vermenschlichen. Man kann auch eine gewisse Ungeduld bei der Erzielung von Resultaten feststellen, wobei manchmal die eigenen Interessen des Pferdes vernachlässigt werden. Dies kann die Qualität der Beziehung zwischen Mensch und Pferd beeinträchtigen und erfordert vom Menschen ein ständiges Hinterfragen, das sich möglichst auf wissenschaftlich belegte Fakten stützt.
Wie wird eine Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit für den Pferdesport erreicht?
Die Domestizierung von Pferden mit dem Ziel, ihre körperlichen Fähigkeiten zu nutzen, ist sehr alt. Dies ist insofern akzeptabel, als diese Nutzung, auch im Sport, unter Wahrung des Wohlergehens und der Würde der Pferde erfolgt. Alle Akteure der Pferdebranche, seien es Reiter oder Fahrer, die Funktionäre der verschiedenen Verbände, die Sportverbände selbst sowie die pferdesportbegeisterte Öffentlichkeit müssen sich darum bemühen, diese Bedingungen zu respektieren bzw. zu verbessern wenn nötig und für ihre Einhaltung zu sorgen. Es ist auch sehr wichtig, konkret über die Maßnahmen zu informieren, die zu diesem Zweck ergriffen werden, und sich nicht auf leere Phrasen wie “Das Wohlbefinden des Pferdes ist in allen Disziplinen von größter Bedeutung” zu beschränken!
Die Medien spielen in diesem Prozess ebenfalls eine wichtige Rolle, indem sie es vermeiden, Praktiken, die das Wohlbefinden von Pferden beeinträchtigen könnten, in den Vordergrund zu rücken, selbst wenn dies unbeabsichtigt geschieht. Eine solche Darstellung kann den Eindruck erwecken, dass diese Praktiken erwünscht oder wünschenswert sind und sie folglich zu fördern.
Es ist Aufgabe der gesamten Branche, offen über die positiven Aspekte ihrer Aktivitäten zu berichten, aber auch Fehler oder Mängel zu erkennen und Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Diese Einstellung wird die Zukunft des Pferdesports langfristig sichern.
Wird das Fluchttier Pferd in der heutigen Zeit zu wenig bewegt?
Das Pferd ist zwar ein Fluchttier, aber es ist, von Natur an, vor allem ein Tier der langsamen und langanhaltenden Bewegung, da diese Bewegung für seine Ernährung unerlässlich ist. Durch die Domestikation, bei der der Mensch das Pferd an einem bestimmten Ort füttert, wurde die Notwendigkeit der Bewegung für das Pferd eingeschränkt. Es liegt in unserer Verantwortung, den Pferden so viel Bewegung wie möglich zu ermöglichen, und ich muss zugeben, dass dies derzeit nicht immer der Fall ist. Eine korrekte Arbeit, regelmäßiger Auslauf oder Einrichtungen wie “Paddock Paradies” können diesen Mangel an Bewegung ausgleichen.
Wird die vollendete Reiterei und das Trainieren von Pferden immer eine Kunst bleiben?
Wenn man bedenkt, dass eine Kunst eine Reihe von Regeln und Methoden ist, die es zu beachten gilt, ist es sicher, dass das Reiten eine Kunst ist und immer eine Kunst bleiben wird. Doch neben diesen Regeln und Methoden kommt noch eine Sensibilität gegenüber dem Partner Pferd hinzu, die ich ebenfalls als künstlerisch bezeichnen würde. Jeder Mensch und jedes Pferd ist ein Individuum mit einer eigenen Sensibilität und einem eigenen Empfinden. Und es ist unbestreitbar eine Kunstform, sie auf eine für beide Seiten befriedigende Art und Weise zusammenzubringen.
Wie könnte eine gemeinsame breit abgestützte Zusammenarbeit aller pferdeafinen Gruppierungen aussehen?
Welche Aktivitäten auch immer ausgeübt werden, das Pferd, sein Wohlbefinden und seine Würde müssen stets im Mittelpunkt stehen. Das Pferd ist der gemeinsame Nenner und alle Pferdesportgruppen sollten sich daran erinnern!
Außerdem muss man Demut zeigen und sich selbst in Frage stellen. Man muss auch zugeben, dass die Praktiken einer anderen “Gruppe”, auch wenn sie anders oder unbekannt sind, es wert sind, beobachtet und analysiert zu werden und, wenn sie positiv sind, in die eigene Gruppe übernommen zu werden. Diese Offenheit sollte die Zusammenarbeit bestimmen.
Was heisst ethisch korrekt gegenüber dem Pferd?
Der Mensch hat beschlossen, das Pferd zu benutzen, das Pferd hat nicht beschlossen, benutzt zu werden… Wie bereits gesagt, ist diese Nutzung ethisch akzeptabel, solange sie das Wohlbefinden und die Würde des Pferdes respektiert und die Belastungen, die dem Pferd auferlegt werden – Belastungen, die unweigerlich mit der Domestikation verbunden sind – durch Vorteile in Form von Sicherheit, Komfort oder Wohlbefinden ausgeglichen werden. Auch wenn das Ziel an sich ethisch akzeptabel ist, sollte man sich fragen, ob es nicht mit geringeren Belastungen erreicht werden kann, und, wenn dies der Fall ist, die weniger belastenden Maßnahmen wählen. Auch hier ist ein ständiges Hinterfragen angebracht.
Charles Trolliet
Stéphane Montavon
Das Pferd, der geborene Athlet
Es ist auf Leistung getrimmt – von Geburt an. Die Frage ist nicht, ob sie können, sondern vielmehr, ob sie sollen?
Pferde sind zwar geborene Athleten, aber nicht auf „Leistung getrimmt“. Schließlich haben alle Pferde sehr individuelle Veranlagungen und Talente. Trotz arttypischer Biologie und Physiologie sind im Hinblick zu erbringender bzw. zu erwartender Leistung sehr unterschiedliche Grundvoraussetzungen zu berücksichtigen, wie z.B. Alter, Ausbildungs- und Trainingsstand, Art der Haltung oder individuelle aktuelle Konstitution. Pferde sollen auf jeden Fall im Rahmen ihrer jeweiligen Konstitution und sportlichen Veranlagung zu körperlich vernünftigen und ethisch klar vertretbaren sportlichen Leistungen gebracht werden. Wenn das fachlich richtig im Sinne des Pferdes gemacht wird und entsprechende Pausen berücksichtigt werden, dient das ihrer physischen Gesunderhaltung und ihrem mentalen Wohlbefinden.
Die Pferde werden immer athletischer, schneller, beweglicher und die Menschheit wird fauler, langsamer und ängstlicher. Wohin führt das?
Antwort: Ich teile nicht die Meinung, dass der Mensch immer fauler wird, zumindest nicht im Umgang mit dem Pferd. Entscheidend ist, dass der Reiter sich dazu ausbilden lässt, dass er die Bewegungsanforderungen, die das Pferd stellt, auch vom Sattel aus erfüllen und ihnen gerecht werden kann. Dazu gehört eine vielseitige Ausbildung des Reiters, die ihm ermöglicht, das Pferd auch ausgiebig im Gelände bzw. in der freien Natur zu bewegen, möglichst auch mal in erhöhtem Galopptempo. Denn das Reithaus sprich Halle, ist nicht das natürliche Bewegungsumfeld des Lauf- und Fluchttieres Pferd. Der Reiter muss in der Lage sein, die jeweiligen Bewegungsbedürfnisse des Pferdes auch vom Sattel aus zu erfüllen.
Martin Plew
Martin Plewa ist ein Ausbilder von Pferden, Reitern und Reitlehrern. Er war leitender Bundestrainer der Vielseitigkeitsreiter im Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei, Goldmedaillengewinner bei Olympischen Spielen und Teilnehmer bei Welt- und Europameistern der Reiter.
Wie wird eine Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit für den Pferdesport erreicht?
Am wichtigsten ist die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen um das Pferd. Diese Informationen müssen auch Personenkreise erreichen, die nicht dem Pferdesport nahestehen. Wir müssen den Pferdesport den Unkundigen nahebringen und ihnen den Pferdesport besser erklären. Entscheidend ist, dass wir Pferdeleute uns als kompetente Partner verstehen und uns glaubwürdig für den Tierschutz und das Pferdewohl einsetzen.
Wird das Fluchttier Pferd in der heutigen Zeit zu wenig bewegt?
Ich kann es nicht beweisen, aber ich vermute, dass die meisten im Sport eingesetzten Pferde zu wenig freie, d.h. unkontrollierte Bewegungsmöglichkeiten auf ausreichend großen Flächen haben.
Wird die vollendete Reiterei und das Trainieren von Pferden immer eine Kunst bleiben?
Kunst kommt von „Können“. In dem Sinne wird gute Reiterei immer eine Kunst bleiben, die aber nie vollendet sein kann, sondern immer nur nach Vollendung streben soll. Denn als Pferdemensch lernt man nie aus. Reitkunst darf aber nicht verwechselt werden mit individueller, kreativer Kunst wie Malerei oder Musik. Eine künstlerische Freiheit kann es beim Reiten nicht geben, denn die Natur des Pferdes bestimmt die Grenzen, an denen wir uns im Umgang mit dem Pferd zu orientieren haben.
Wie könnte eine gemeinsame breit abgestützte Zusammenarbeit aller pferdeaffinen Gruppierungen aussehen?
Wichtig erscheint mir ein steter gemeinsamer fachlicher Austausch, in dem es immer nur um das Wohl des Pferdes gehen kann, unabhängig von seiner Nutzung oder einer bestimmten Reitweise. Wenn das erfolgt, können wir uns im Sinne des Pferdesports zusammen und gemeinsam immer unterstützen und die Interessen nach außen vertreten, was uns zu einer besseren und gesicherteren gesellschaftlicheren Akzeptanz verhelfen wird.
Was heißt ethisch korrekt gegenüber dem Pferd?
Voraussetzung: charakterliche Haltung des Menschen, Demut und Achtung; Disziplin, Selbstbeherrschung, Selbstkritik, ständige Lernbereitschaft u.a.,
- Übernahme von Verantwortung für das Wohl und die Zukunft des Pferdes,
- Artgerechte Haltung und entsprechender Umgang (Orientierung an der Natur und Biologie des Pferdes; keine Vermenschlichung!),
- Pferdegerechte Ausbildung und sportliche Nutzung,
- Vermeiden von Überforderung,
- Berücksichtigung individueller Veranlagungen des Pferdes,
- Vorrang physischer Gesundheit und mentalen Wohlbefindens,
- Vermeiden von Überforderung,
- Verantwortung für die gesamte Lebenszeit, auch für die Zeit nach einer sportlichen oder züchterischen „Nutzung“ und für das Lebensende eines Pferdes.
Martin Plewa
Dr. Robert Strodulka
Dr. Robert Stodulka ist Fachtierarzt für «Physikalische Medizin & Rehabilitationsmedizin» und Autor zahlreicher Fachbücher. Er entwickelte sein eigenes, geschütztes Training-System für Pferde, die «Medizinische Reitlehre nach Dr. Stodulka®», lehrt an der VMU- Wien und ist ein international gefragter Experte auf seinem Gebiet
Das Pferd, der geborene Athlet
Es ist auf Leistung getrimmt – von Geburt an. Die Frage ist nicht, ob sie können, sondern vielmehr, ob sie sollen?
Pferde sind als domestizierte Haustiere seit Jahrtausenden für das Zusammenleben mit dem Menschen gezüchtet und auf diese durch Selektion vorbereitet worden. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen der vernünftigen Nutzung unsere hochspezialisierten Haus-Sportpferde und einem damit verbundenen ethischen Umgang mit dem Tier.
Die Pferde werden immer athletischer, schneller, beweglicher und die Menschheit wird fauler, langsamer und ängstlicher. Wohin führt das?
Die Menschen müssen sich für Ihre Pferde, aber auch für ihr eigenes Leben fitter machen- so einfach ist das – Alle Zivilisationserkrankungen haben sich erst in den letzten Jahrzehnten so stark etablieren können weil die Menschen wie auch die Pferde überernährt und dafür massiv unterbewegt sind
Wie wird eine Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit für den Pferdesport erreicht?
Der Grossteil der heutigen Menschen ist von der Natur und auch vom Pferd, das ja Teil unserer sozialkulturellen Entwicklung ist, sehr weit entfernt, deshalb gehört massiv aufgeklärt und scheinbar „tierschutzrelevantes“ entsprechend erklärt- Ein Pferd ohne Decke und mit Fell im Schnee friert nicht zwingend usw.
Wird das Fluchttier Pferd in der heutigen Zeit zu wenig bewegt?
JA und wenn dann häufig falsch oder so, dass viele Pferde durch Unterforderung physisch und Psychisch kaputt gehen- Das geht auch mit der Unsportlichkeit vieler Menschen, die Pferde besitzen Hand in Hand.
Wird die vollendete Reiterei und das Trainieren von Pferden immer eine Kunst bleiben?
JA- jeder kann, wenn er fleissig und konstant ist das Handwerk, die Campagneschule, erlernen für die Hohe Schule bedarf es weit mehr, als der Durchschnitt der Reiter in der Lage ist zu leisten.
Wie könnte eine gemeinsame breit abgestützte Zusammenarbeit aller pferdeafinen Gruppierungen aussehen?
Ein Miteinander statt ein Gegeneinander wäre sinnvoll- Ansprechen von Missständen innerhalb der Gruppen und der versuch möglichst rasch interdisziplinär diese abstellen.
Was heisst ethisch korrekt gegenüber dem Pferd?
Ich stelle die Präambel voran, dass wir Menschen Tiere zu unserem Vergnügen und für unsere Zwecke nutzen dürfen- Dann geht es um einen Pferdegerechten Umgang, systematischen sportlichen Aufbau wie dies z.B. die FN -Skala oder der Medizinischen Reitlehre nach Dr. Stodulka ® bietet um das Pferd für den angedachten Nutzen entsprechend optimal vorzubereiten, sodass dieses lange gesund und leistungsfähig in seiner Arbeit bleiben kann. Die Artgerechten Bedürfnisse in Haltung und Sozialleben müssen entsprechend der individuellen Disposition der Tiere befriedigt werden können.
Dr. Robert Stodulka
0 Kommentare