Freudig kommst Du in den Stall, um mit Deinem Pferd eine gute Zeit zu verbringen. Vielleicht hast Du Dir vorgenommen, heute eine neue Lektion zu reiten oder eine neue Bodenarbeitsübung in Angriff zu nehmen. Du bist voller Tatendrang und guter Dinge. Nur unser Pferd sieht das überhaupt nicht so. Es beginnt damit, dass es nicht von der Weide kommen will, beim Putzen nicht stillsteht und sich auf dem Reitplatz überhaupt nicht entspannen kann. Strafst Du das Pferd nun für sein unerwünschte Verhalten oder fragst Du Dich, was Dir das Pferd damit sagen möchte?
Das Pferd kommt nicht von der Weide
Autorin: Marina Parris, Pferd als Partner GmbH
Kommt Dir das folgende Szenario bekannt vor? Freudig kommst Du in den Stall, um mit Deinem Pferd eine gute Zeit zu verbringen. Vielleicht hast Du Dir vorgenommen, heute eine neue Lektion zu reiten oder eine neue Bodenarbeitsübung in Angriff zu nehmen. Du bist voller Tatendrang und guter Dinge. Nur unser Pferd sieht das überhaupt nicht so. Es beginnt damit, dass es nicht von der Weide kommen will, beim Putzen nicht stillsteht und sich auf dem Reitplatz überhaupt nicht entspannen kann. Strafst Du das Pferd nun für sein unerwünschte Verhalten oder fragst Du Dich, was Dir das Pferd damit sagen möchte?
Unerwünschtes Verhalten beim Pferd kann viele Gesichter aufweisen.
Da ist das nicht von der Weide kommen wollen nur eines davon. Eine Reiterin suchte Rat bei mir, weil sie immer wieder von ihrem Pferd heruntergebuckelt wurde. Oder das Beispiel der beiden Araberpferde im gleichen Stall. Der eine war total ruhig auf dem Platz, der andere war sehr «guckig» und konnte sich nicht wirklich entspannen. Das Pferd einer Kollegin lässt sich nur streicheln, wenn es wahre Zuneigung vom Menschen spürt. Ansonsten wendet es sich von ihm ab. Ich glaube, viele Probleme wie Pferd nicht einfangen können, Pferd ist beim Reiten nervös oder touchiert immer die dritte Stange, Pferd ist immer verletzt sind lösbar, wenn die Rolle des Menschen in der Beziehung mit dem Pferd genauer angeschaut wird.
Wie oft kann ein Pferd seine Meinung kundtun, ohne dass es bestraft wird?
Mit ihrem Verhalten möchten uns die Pferde etwas mitteilen. Oft machen sie uns indirekt auf ein Problem aufmerksam, dessen wir uns gar nicht bewusst sind. Spiegelt ihr Verhalten allenfalls die Lebensumstände des Halters? Ein Pferd, das nicht von der Weide kommt, kann bedeuten: «Die Zeit auf der Weide mit anderen Pferden ist mir jetzt wichtiger als auf dem Platz zu üben oder auszureiten. Die Übungen kenne ich ja alle schon. Nicht schon wieder der Sattel, der nicht passt. Das ständige Ziehen im Maul ist schmerzhaft. Nicht schon wieder der Reiter, der sich wie ein Kartoffelsack herumtragen lässt.»
Wie würde die Zusammenarbeit aussehen, wenn die Stimme des Pferdes zählen würde?
Wie sollte man seine Führungsqualitäten verbessern können, wenn das ehrliche Feedback über die Auswirkungen des eigenen Verhaltens nicht als solches anerkannt wird? Das Pferd spiegelt ja oft nur die Führungsprobleme, die der Mensch in anderen Lebensbereichen erlebt. Eine Person, die Mühe hat, sich beim Pferd durchzusetzen, hat mit grösster Wahrscheinlichkeit die gleiche Thematik im Privatleben, nur wurden deren Auswirkungen bisher noch nie so klar aufgezeigt. Hier setzt die pferdegestützte Persönlichkeitsentwicklung an, welche auf das ehrliche und wertfreie Feedback vom Pferd angewiesen ist.
Vertrauen, Respekt und Gelassenheit, oder gefährliche Unstimmigkeiten in der Kommunikation. Welchen Weg wir beschreiten, hängt davon ab, wie viel wir über Zusammenhänge wissen.
Um zu der Reiterin zurückzukommen, die immer runtergebuckelt wurde. Als diese mit meinem Pferd am Boden arbeitete, zeigte sich schnell, dass sie lange brauchte, um sich durchzusetzen. Sie spürte wohl, dass etwas nicht stimmte, reagierte aber nicht. Um zu sehen, wo ihre Grenzen waren, setzte ich ein dominanteres Pferd ein, welches ständig an ihr herumknabberte. Erst als es nach ihr schnappte, konnte sie sich durchsetzen und ihm gegenüber eine Grenze ziehen.
Das gleiche Verhaltensmuster zeigte sich im Privatleben.
Nur wenn die Schmerzen zu gross waren oder eine Grenze bereits überschritten wurde (körperlich oder emotional), war sie fähig, zu reagieren. Statt ihre Gefühle weiterhin zu ignorieren, bzw. zu unterdrücken, lernte sie während dem Coaching, vermehrt auf die eigenen Körpergefühle und Emotionen zu achten, um diese als Grundlage zum Handeln auch im Alltag zu nutzen.
Auch am Beispiel der beiden Araber spiegelte sich sehr deutlich das Verhalten der unterschiedlichen Besitzer. Eine Pferdehalterin strahlte Ruhe aus und nahm sich immer genügend Zeit für das Pferd, wenn sie in den Stall kam. Bei der anderen Frau war die Zeit für das Pferd immer knapp und auf die Minute genau ausgerechnet. Ausserdem hatte sie zusätzlich noch die Kinder und den Hund dabei.
Diesen Stress und Zeitdruck spürte das Pferd,
die Unruhe auf dem Reitplatz war jedes Mal vorprogrammiert. Anhand des Pferdeverhaltens und der Lautstärke der Frau, merkte man immer, wie hoch der innerliche Stresspegel in ihrem Privatleben war und dass sie mit der Situation einfach überfordert war.
In einem Coaching, bei dem das Pferd die freie Wahl hatte und nicht angebunden war, wollte eine Kundin mein Pferd putzen, woraufhin es in die andere Ecke des Reitplatzes lief. Sie blickte danach nur noch auf seine Hinterhand. Sie wurde sich bewusst, dass ihr Pferd zu Hause immer angebunden wird und stillstehen muss. Obwohl sie selbst oft sehr gestresst von der Arbeit in den Stall ging. Ihre Unruhe spiegelte sich im unruhigen Verhalten ihres Pferdes wider. Sie korrigierte allerdings immer das Pferd, wobei die Ursache in dem Fall klar bei ihr lag.
Pferde quittieren unser Handeln immer sofort und ehrlich.
In der Reiterwelt wird diese Ehrlichkeit vom Pferd zuwenig geschätzt. Es wird viel vom Pferd als Partner geredet, aber wie viel Mitspracherecht hat das Pferd effektiv im Alltag? In der Realität doch eher wenig, da der Mensch gelernt hat, immer Chef zu sein. Widerstand vom Pferd wird allzu oft als mangelnder Respekt interpretiert und der Mensch reagiert mit Druck, um das Verhalten zu unterbinden, anstatt die Botschaft dahinter zu erkennen. Ein einfacher Ausweg, damit man keine Verantwortung für das eigene Verhalten übernehmen muss.
Um dem Pferd gegenüber fair zu sein und Respekt zu zeigen, müssen wir für seine Botschaft offen sein. Wenn wir bereit sind, das Verhalten vom Pferd als eine wertvolle Informationsquelle zu berücksichtigen, kommen wir der Problemlösung einen bedeutenden Schritt näher.
Wenn Du spürst, dass ein Problem am Entstehen ist, beobachte Dein Pferd doch etwas genauer, bevor Du zum Reitlehrer gehst und um Hilfe bei einer Korrektur des Pferdes bittest. Reflektiere, was Dein Pferd mit seinem Verhalten ausdrücken möchte.
Gibt es Zusammenhänge mit Ihren Lebensumständen?
Solltest Du zu keinem befriedigendem Ergebnis kommen, hole Dir Rat bei jemandem im Bereich pferdegestützte Persönlichkeitsentwicklung, um neue Einsichten zu erhalten und das Pferdeverhalten aus einem neuen Blickwinkel betrachten zu können.
Das Gleiche gilt auch für gesundheitliche Themen. Wenn ein Pferd dauernd etwas am Auge hat, kann es auch sein, dass es damit aufzeigen möchte, dass der Mensch in seinem Privatleben eine Situation nicht anschauen möchte.
Fazit: Es hilft nicht, den Spiegel, sprich das Pferd, kaputt zu machen, wenn uns das Bild im Spiegel nicht gefällt. Es gilt nur etwas am Bild zu ändern.
Quelle: PASSION 04/15 HERBST
Fotos: Christiane Slawik
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