Der Weg ist das Ziel
Markus Erne – ein Trainer-Portrait
Autorin: Therese Misar für das Schweizer Reitmagazin PASSION
Um Pferde zu trainieren, mit ihnen zu arbeiten stehen uns zahlreiche Trainer, Methoden und Theorien zur Auswahl. Aber welche ist für mich und mein Pferd ideal? Was will ich erreichen, was ist mir wichtig? Oft gleicht die Suche einer Odyssee, und nicht selten mit frustrierendem Ergebnis. Markus Erne erzählt uns im nachfolgenden Artikel von seine Suche nach einer für ihn und seine Pferde glücklichen Lösung.
Sein Zugang zu Pferden begann ganz unspektakulär. In jungen Jahren arbeitete er in einem Stall mit Fjordpferden. Mit der Übernahme der anfallenden Arbeiten war damals das Ausreiten ohne fundierte Ausbildung gleich inklusive. Später dann im Militär gehörte zum Ausbildungskonzept, dass sich die angehenden Offiziere mit der Betreuung und Verantwortung eines Pferdes beschäftigten. Dies diente der Charakterbildung. Heute nennt man das Pferdecoaching.
Seine reiterliche Grundausbildung erlangte Markus Erne dann später, nach dem er einem sehr grossen Noriker Wallach ein neues Zuhause gab. Und schon hier erkannte der mit 1.96m Körpergrösse nicht gerade zierliche Mann, dass Körperkraft alleine nicht zielführend ist, um ein Pferd in brenzligen Situationen handeln zu können. Als Kommunikationsspezialist für Führungskräfte, war er auf der Suche nach einer Sprache mit und für Pferde. So kam er in Kontakt mit der akademischen Reitkunst, einer sehr guten Methode sanft mit Pferden umzugehen und zu reiten. Aber da fehlte doch noch einiges. Fündig wurde er dann später bei Reto Gfeller und seinem „Delfin Horsetraining“. Aber der Reihe nach, denn selten verlaufen Lebenslinien gradlinig.
Der Noriker war aus privaten Gründen schon bald nicht mehr in der Zuständigkeit von Markus Erne. Am Kontakt und anspruchsvoller Beschäftigung mit Pferden mangelte es dem ihm aber nicht. So engagierte er sich seit mehreren Jahren im Vorstand bei der Horse-Rescue-Organisation Love, Hope, Faith für Pferde. Diese kauft und vermittelt Tiere, die entweder den Weg zum Metzger gehen müssten, oder bei irgendeinem Händler schlecht gepflegt dem Hungertod entgegensehen.
Cador de Romas
Im Frühling 2021 wurde „Cador de Romas“, ein 9jähriger ehemaliger französischer Traber, übernommen. Nachdem er erfolgreich Rennen gelaufen war, zog sich der Vollblüter eine Fesselträger-Verletzung zu. Anschliessend wurde er ausgemustert und bei einem Händler seinem Schicksal überlassen.
Total abgemagert, mit schlechten Hufen und übersät mit Milben bot das Pferd ein so erbärmliches Bild, dass sogar bei seinen Rettern die Diskussion aufkam, das Tier zu erlösen. Markus Erne kann bis heute nicht genau erklären, was mit ihm geschah. Aber er wusste damals gleich, „der gehört zu mir“. Im Besitz von Markus wurde „Cador“ aufgepäppelt, Vertrauen wurde aufgebaut, bevor man letztlich vorsichtig mit dem Reiten begann.
Odin
Markus selbst war aber zu gross und zu schwer für den ehemaligen Traber, der Wunsch nach einem eigenen Reitpferd war jedoch gross. So kam etwas später – ebenfalls über die Organisation – ein junger belgischer Warmblut Wallach zu Erne. „R-Force v/h Kolisbos“, heute viereinhalb Jahre alt, fiel vom Transporter und verletzte sich dabei am Sprunggelenk. Die Wunde verheilt langsam, trotzdem wurde der dressurgezogene talentierte Wallach aussortiert. Zum einen, weil ein kleiner Makel in den Bewegungen zurückblieb. Zum anderen, weil das Pferd sehr gross wird und jetzt schon ein Stockmass von 186cm aufweist. Bei der Übernahme in die Rescue-Organisation fiel besonders die schlechte Bemuskelung auf. Auch fehlte jegliches Balance- und Gleichgewichtsgefühl. So war beispielsweise das «Hufe geben» zum Auskratzen fast unmöglich. Markus Erne füttert das Pferd auf und lässte es durch einen Profi langsam an den Sattel gewöhnen. Inzwischen sind beide Schützlinge kaum wiederzuerkennen. Gut bemuskelt und gelassen, gehen sie unter dem Sattel ins Gelände. Der grosse Oldenburger hört inzwischen auf den Namen „Odin“.
Reto Gfeller, dem Begründer der „Delfin Horse“-Methode
Markus Erne ist stets wissbegierig, will Theorien verstehen und hat eine klare Vorstellung, wie er selbst mit Pferden umgehen will. Nach umfangreichen Recherchen über die Trainerszene in der Schweiz traf er schliesslich Reto Gfeller, dem Begründer der „Delfin Horse“-Methode. Der Anspruch des Trainers an die freiwillige Zusammenarbeit seitens der Pferde deckte sich exakt mit Markus’ Vorstellungen. „Ich will eine Partnerschaft mit meinen Tieren. Das oberste Ziel im Training ist für mich, ohne Ausrüstungsgegenstände wie Halfter, Zaum, Ausbinder oder Peitsche arbeiten zu können“. Stichwort „Peitsche“: beide Pferde werden nervös, unruhig und sind nicht mehr ansprechbar, wenn sie eine Peitsche sehen. Also fällt dieses Hilfsmittel komplett weg. Eine Übung bei der Delfin Horse-Methode ist das ruhige und gelassene Stehen, ganz nahe beim Besitzer. Sowohl „Cador“ als auch „Odin“ konnten zu Beginn diese Vertrauensübung nicht zeigen. Zu gross war die Angst vor dem Menschen.
„Für mich sind diese zwei Pferde eine enorme Bereicherung in meinem Leben. Ich erlebe ein „geerdet sein“ und lerne im Umgang mit ihnen zusätzlich viel über mich selbst“.
Natürlich geht auch bei uns nicht immer alles glatt und perfekt. „Odin“ zum Beispiel riss sich einmal unvermittelt los und galoppierte davon, weil ihm einige Kühe zu nahe kamen. Das Resultat dieses Zwischenfalls war ein deutlicher Vertrauensverlust des Pferds. Nun galt es, diesen in kleinen Schritten wiederaufzubauen.
Brav, lieb und umgänglich
Jeder Pferdebesitzer möchte einen braven, „lieben“ und umgänglichen Vierbeiner sein Eigen nennen. Sie streben diese Eigenschaften quasi als Endzustand an. Dabei übersehen sie jedoch häufig, dass eben der Weg das Ziel ist. An Gelassenheit und Vertrauen müssen immer wieder gearbeitet werden, es gibt kein «fertig». Ich sehe Partnerschaft nicht als Endziel, sondern als Weg. Oft wollen die Menschen zu viel und zu schnell. Der Faktor „Zeit“ bekommt in der Zusammenarbeit mit Tieren aber eine andere Bedeutung. Bei Reto Gfeller habe ich gelernt, dass, egal was ich vom Pferd will, ich mich selbst zuerst sicher fühlen muss in dem was ich tue. Ist dies gegeben, klappt auch die Kommunikation mit dem Partner Pferd.
Versetzen wir uns einmal in die Lage des Tieres, wenn wir Lektionen fordern, die es bisher nicht kannte. Das ist ähnlich als wären wir in China, könnten aber die Sprache nicht verstehen. Dann müssen wir uns fragen, wie möchten wir in dieser Situation behandelt werden, damit wir verstehen können, was von uns verlangt wird?
Berechenbarkeit im täglichen Umgang spielt hier bei Pferden eine zentrale Rolle. Und Hand aufs Herz; ist es nicht oft so, dass wir zuerst schmusend, Küsschen verteilend und in einer Art «Babysprache» auf unser Pferd zugehen? Und läuft dann die nächste Lektion nicht gleich nach unseren Vorstellungen, wird nicht plötzlich unser Verhalten und unsere Ansprache und unser Umgang energischer, weil uns – aus welchem Grund auch immer – gerade die Geduld fehlt?
Für mich persönlich ist die grosse Lektion, die ich bei Reto Gfeller gelernt habe, dass Veränderung in der Kommunikation mit Pferden nur stattfindet, wenn ich meine oft eingefahrenen Einstellungen, wie etwas laufen sollte, ändere.
Markus Erne studierte Betriebswirtschaft und Psychologie an der Universität Zürich und absolvierte seinen MBA in Zürich und Stanford. Seit 1993 leitet er die „ecm management AG“. Hier agiert er als Spezialist bei der Neuausrichtung von Vorständen und der schnellen Sanierung von Portfolio-Unternehmen.
Das Ziel des Delfin-Horsetraining liegt darin, die bei Delfinen und anderen Tieren erfolgreiche Methode des Einbezugs des freien Willens des Tieres aufs Pferdetraining zu übertragen. Das Pferd soll seinen Trainer respektieren, ihn selber zum Leader wählen, bei ihm sein wollen und ihm aus eigenem Antrieb zu gefallen versuchen.
https://delfin-horsetraining.ch
Bilder: zVg
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