Gewalt an Pferden resultiert oft aus Überforderung und fehlendem Wissen. Deshalb sind theoretische und praktische Ausbildung so wichtig. Dieses Wissen und den Austausch darüber zu fördern ist die Motivation der Forscher, die hinter den 10 Grundprinzipien des Pferdetrainings stehen.
Für die Sache der Pferde
Ein Bericht über die Arbeit der International Society for Equitation Science
Dieser Artikel ist zuerst in der PASSION, das Schweizer Reitmagazin, erschienen.
Gewalt an Pferden resultiert oft aus Überforderung und fehlendem Wissen. Deshalb sind theoretische und praktische Ausbildung so wichtig. Dieses Wissen und den Austausch darüber zu fördern ist die Motivation der Forscher, die hinter den 10 Grundprinzipien des Pferdetrainings stehen. In diesem Artikel und in den weiteren Ausgaben von PASSION in diesem Jahr werden diese Grundprinzipien vorgestellt und erläutert.
Vor über 10 Jahren schlossen sich einige pferdeverrückte, enthusiastische Verhaltensforscher zusammen und gründeten die International Society for Equitation Science ISES (Internationale Gesellschaft für Reitwissenschaft).
Pferde werden seit Jahrtausenden trainiert und es existiert unbestritten viel Wissen darüber. Vieles davon beruht aber auf Vermutungen. Manchmal ist etwas nicht so, wie es zu sein scheint – von dieser Erkenntnis ist auch die Reiterei nicht ausgeschlossen. Da es dabei auch aus wissenschaftlicher Sicht um sehr komplexe Zusammenhänge geht, schwebte den Gründern ein regelmässiger Austausch von Praktikern und Wissenschaftlern aus den unterschiedlichsten Tätigkeitsbereichen vor.
Weltweiter, wissenschaftlicher Austausch
Deshalb treffen sich jährlich Trainerinnen, Tierärzte, Verhaltensforscherinnen, Biomechaniker, Sportpsychologinnen, Pferdewissenschaftler und viele weitere Interessierte aus aller Welt und allen möglichen Bereichen, die mit der Reiterei irgendwie in einem Zusammenhang stehen, zu einem Kongress. Dort stellen sie die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Diskussion und nehmen neue Anregungen mit. In Victoria, Australien fand 2005 die erste Konferenz der ISES statt. Schon damals kamen 95 statt der erwarteten 40 Interessierten zu dem Treffen. Seither ist die ISES ständig gewachsen und Hunderte von Pferdebegeisterten besuchen die jährlichen Konferenzen). Die Konferenzsprache ist Englisch, die Sprache des weltweiten wissenschaftlichen Austausches. Das mag eine Schwelle sein, aber die Begeisterung für die gleiche Sache hilft definitiv bei der Verständigung und wirkt ansteckend.
Es geht um die Sache der Pferde
Dies auch deshalb, weil der alte universitäre Gedanken des freien Austausches die Konferenzen prägt. Den Initianten ist es wichtig, dass es um die Sache der Pferde und nicht um Marketing oder persönliche Eitelkeiten geht und dass Erkenntnisse allen frei zugänglich sind.
Eines der Gründungsmitglieder ist Professor Paul McGreevy, Professor für Tierschutz an der Universität Sidney. Paul wurde für seine Arbeit mit diversen Preisen ausgezeichnet. Er pflegt sowohl rege weltweite Zusammenarbeit auf wissenschaftlicher Ebene als auch intensiven Austausch mit der Praxis.
Ein weiteres zentrales Gründungsmitglied, Dr. Andrew McLean, verkörpert geradezu die Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Neben dem Biologiestudium verdiente er sein Geld mit dem Beritt von Pferden. Er war ein erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter und beschäftigte sich in seiner Doktorarbeit mit mentalen Prozessen beim Pferd und deren Konsequenzen für das Training.
Zusammen mit seiner Familie und weiteren Beteiligten führte er seine Untersuchungen in der eigenen grossen Reitanlage, dem Australian Equine Behaviour Center AEBC durch. Er stellte dabei einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Verhaltensproblemen und mangelhaft trainierten Reaktionen des Pferdes fest. Verhaltensprobleme können nicht nur ein Sicherheitsproblem für die Menschen darstellen, sie zeigen auch ein verunsichertes Pferd. Um solchen Problemen vorzubeugen erarbeiteten Paul und Andrew 8 Grundprinzipien für das Training von Pferden. Diese wurden 2006 erstmals veröffentlicht.
Die Prinzipien sind unabhängig von einer Methode oder Reitweise.
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In der Vergangenheit wurden auch viele Begriffe aus der Biologie und dem Zusammenleben von Pferden auf das Verhältnis von Mensch und Pferd übertragen. Dabei entstanden neue Missverständnisse, die für die Pferde auch Nachteile brachten. Ein als dominant betiteltes Pferd wird zum Beispiel eher bestraft und für erwünschtes Verhalten nicht mehr belohnt. Zudem werden den Begriffen aus dem Sozialverhalten von Pferden zum Teil sehr wild und willkürlich Bedeutungen zugeordnet, die die Wissenschaft nicht bestätigen kann. Die Prinzipien sind frei von solchen Begriffen, die oftmals mehr verschleiern als erhellen. Auch wir modernen Menschen müssen damit leben, dass wir vieles noch nicht wissen und sollten uns aus Respekt den Pferden gegenüber vor voreiligen Schlüssen hüten. Bewahren müssen wir unsere Neugierde und ein kritisches – auch selbstkritisches – Denken.;
Nun haben Andrew und Paul diese grundlegenden Prinzipien für jede Art von Training mit Pferden verfeinert und auf 10 erweitert.
Die Ethologie liefert Informationen
Die Lebensweise von Pferden hat sich über Jahrtausende entwickelt. Demensprechend verarbeiten sie Informationen aus ihrer Umwelt in der für sie angepassten Weise. Die Ethologie, das Studium des Verhaltens von Tieren, liefert Informationen, wie zum Beispiel die natürliche soziale Struktur von Pferdegruppen funktioniert. Dies schliesst komplexe und dynamische soziale Organisation mit sozialen Rangordnungen, die den Zugang zu Ressourcen regeln, ein. Pferde brauchen die Gesellschaft von Ihresgleichen und gehen leicht soziale Bindungen ein. Isolation ist deshalb schädlich. Diese Erkenntnis hat Eingang in das Schweizer Tierschutzgesetz gefunden.
In der Natur wandern und fressen Pferde etwa 16 Stunden täglich und ihr Verdauungssystem und ihr Verhalten ist daran angepasst. Ausreichende Bewegung und lange Fresszeiten sind also sowohl für die körperliche wie auch für die psychische Gesundheit wichtig.
Wie nehmen Pferde wahr?
Beschäftigt man sich näher mit den geistigen Fähigkeiten der Pferde, geht es beispielsweise um die Frage, wie Pferde Informationen aus der Umwelt verarbeiten. Es geht also darum, wie sie die Umwelt wahrnehmen, wie sie sehen, hören, riechen etc. und schon hier wird klar, dass sich diese Wahrnehmung von unserer unterscheidet. Dann geht es aber auch darum, wie ihr Gehirn diese Informationen verarbeitet und daraus lernt. Pferde erinnern sich möglicherweise nicht in der gleichen Art an vergangene Ereignisse wie Menschen. Vergleicht man die Gehirne, haben Pferde ein viel kleineres Stirnhirn als Menschen. Dafür ist die Region, welche für die Emotionen zuständig ist, viel grösser.
Wir Menschen können uns ohne äusseren Anlass Erinnerungen ins Gedächtnis rufen und diese Erinnerungen aktiv erhalten. Pferde können das nicht in dieser Form, was aber keinesfalls heisst, dass sie ein schlechtes Erinnerungsvermögen haben. Sie haben sogar ein exzellentes Gedächtnis, welches aber mehr an Auslöser in der Umwelt gebunden ist. Zeigte ein Pferd in einer bestimmten Situation Angst, so kann ein mit der Situation der Angst verbundener Auslöser diese auch nach Jahren wieder hervorrufen. Das ist wichtig für ihre Sicherheit. Andererseits macht es keinen Sinn ein Pferd für ein vergangenes Verhalten zu bestrafen. Man hört oft, „er weiss genau, dass er das nicht tun soll“, im Speziellen dann, wenn Bestrafung gerechtfertigt werden soll. Aber Tatsache ist, dass es in dem Moment nicht weiss, weshalb es so behandelt wird.
Wir müssen vorsichtig sein, die Intelligenz der Pferde nicht zu über- oder unterschätzen.
Macht ein Pferd nicht sofort das was wir möchten, heisst das nicht dass es dominant oder stur ist, sondern dass wir noch nicht präzise genug trainiert haben. Oft ist man erstaunt, wie schnell Pferde lernen, wenn man ihre Gefühle nicht missachtet und ihnen die Chance gibt zu verstehen!
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