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Haftungs- und Versicherungsfragen rund um das Pferd

von | 24. Jul. 2022 | 0 Kommentare

Haftungs- und Versicherungsfragen rund um das Pferd

Empfehlungen für die Schweiz

Autor: Alain Pfulg, Fachanwalt Haftpflicht und Versicherung, Bern – für das Schweizer Reitmagazin PASSION (Artikel als PDF)

Anlass zu diesem Artikel gibt ein Bericht der Sendung Kassensturz vom 14.12.2021. Eine Reiterin mit Reitbrevet und Springlizenz ritt regelmässig verschiedene Pferde eines Reitstalls. Bei einem Ausritt erschrak das ihr vertraute Pferd Columbus, warf sie ab und brach aus. Auf seiner Flucht stürzte Columbus auf dem Asphalt, erlitt einen Beckenbruch und musste eingeschläfert werden.

Die Reiterin hatte ihre Privathaftpflichtversicherung mit der Zusatzdeckung „Reiten fremder Pferde“ ergänzt. Trotzdem erbrachte die Versicherung keine Leistungen, dies mit der Begründung, die Reiterin habe gemäss einem beigezogenen Experten keine Sorgfaltspflicht verletzt. Es treffe sie somit kein Verschulden, weshalb sie für den durch den Tod Pferdes entstandenen Schaden von rund CHF 40‘000.00 auch nicht haftbar gemacht werden könne. Der Schaden bleibt beim Eigentümer des Pferdes hängen, was auch für die Reiterin unbefriedigend ist.

Im Zusammenhang mit der Nutzung eines Pferdes sind verschiedene Konstellationen mit unterschiedlichen Haftungsfolgen möglich. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Der Schaden, den ein Pferd Dritten zufügt und jener, den das Pferd selber erleidet. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Versicherungsbedürfnisse der verschiedenen Akteure.

Globus

Schaden an Drittpersonen und fremdem Eigentum

Haftung für einen vom Pferd verursachten Schaden an Drittpersonen und fremdem Eigentum

Nach Art. 56 Obligationenrecht (OR) haftet für den von einem Tier angerichteten Schaden, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Weil ein Befreiungsbeweis möglich ist, handelt es sich um eine einfache oder „milde“ Kausalhaftung.

Der Eigentümer ist nicht zwingend der Halter. Zu dessen Bestimmung werden folgende Indizien beigezogen:

  • Wer objektiv betrachtet die tatsächliche Möglichkeit hat, diejenigen Massnahmen zu treffen, die erforderlichen sind, um die nötige Sorgfalt zu wahren, damit durch eigene Aktionen oder Reaktionen des Tiers niemand geschädigt wird;
  • Wer das Tier in eigenem Interesse nicht nur ganz vorübergehend versorgt und im eigenen Interesse dauernd die Existenzbedingungen gewährt;
  • Wem das Tier dient, wer es – insbesondere wirtschaftlich – nutzt, wer für dessen Unterhalt aufkommt;
  • Wer das Tier im eigenen Haushalt oder Betrieb verwendet;
  • Wer zum Tier eine Beziehung von einer gewissen Dauer hat, was als Kriterium bei der Nutzung durch mehrere Personen dienen kann.

Ist ein Pferd vermietet, so liegt der Nutzen bei kurzfristiger Miete beim Vermieter, bei langdauernder Miete eher beim Mieter.

Eine kurzfristige Unterbrechung der tatsächlichen Verfügungsgewalt, bspw. bei einem entlaufenen Tier, lässt die Haltereigenschaft nicht untergehen.

Kuhweide

Der Halter kann auch eine Hilfsperson einsetzen, etwa einen Angestellten, ein Familienmitglied, eine befreundete Person oder auch den Betreiber eines Pensionsstalls. Weil es sich um eine Kausalhaftung handelt, muss der Halter für das Verhalten der Hilfsperson wie für sein eigenes einstehen. Die Hilfsperson muss nicht einmal ein Verschulden treffen, denn die Halterhaftung ist grundsätzlich eine objektive Haftung für Sorgfaltsverletzung.

Möglich ist auch eine mehrfache Halterschaft, etwa zwei Miteigentümerinnen, welche das Pferd abwechselnd reiten. Im Aussenverhältnis haften sie beide solidarisch, d.h. je für den ganzen durch das Pferd verursachten Schaden.

Die Haftung setzt die Verletzung einer objektiven Sorgfaltspflicht voraus. Zur Entlastung hat der Tierhalter nachzuweisen, dass er sämtliche objektiv notwendigen und durch die Umstände gebotenen Massnahmen getroffen hat. Bleiben über die entlastenden Tatsachen Zweifel bestehen, muss die Haftung des Halters bejaht werden.

Die konkreten Sorgfaltspflichten richten sich in erster Linie nach den geltenden Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften. Fehlen gesetzliche oder reglementarische Vorschriften und haben auch private Verbände keine allgemein anerkannten Vorschriften erlassen, ist zu prüfen, welche Sorgfalt nach der Gesamtheit der konkreten Umstände geboten ist. Der besonderen Gefährlichkeit und Eigenart eines Tieres ist bei der Definition der gebotenen Massnahmen Rechnung zu tragen. Sofern die objektiv gebotene Sorgfalt eingehalten ist oder auch bei deren Einhaltung der Schaden nicht hätte verhindert werden können, haftet der Halter nicht für unvorhersehbares Verhalten des Tieres.

Es besteht dazu eine reichhaltige Rechtsprechung, auf die im Rahmen dieses Artikels nicht weiter eingegangen wird.

Wurde eine Sorgfaltspflicht verletzt, haftet vorweg der Halter. Ist deren Missachtung einer Hilfsperson oder Mieterin vorzuwerfen, haftet diese ebenfalls, allerdings nicht aus der oben erwähnten Kausalhaftung nach Art. 56 OR, sondern aus Verschulden nach Art. 41 OR. Der durch das Verhalten des Pferdes geschädigte Dritte kann sich an beide Haftpflichtige halten. Wird der Halter belangt, kann er auf die schuldhaft handelnde Hilfsperson Rückgriff nehmen.

Am Schadenfall beteiligte Dritte kann ebenfalls ein Verschulden treffen, etwa bei Strassenverkehrsunfällen. Dann sind die Haftungsansprüche nach Massgabe einer allfälligen Betriebsgefahr und der Verschuldensanteile festzulegen.

Bierbrauerpferd

Für die Deckung des Haftungsrisikos ist der sowohl der Halter als auch jede Person, die als Hilfsperson, Mieterin oder Reitbeteiligte ein Pferd benutzt, gut beraten, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen, für den Nichthalter mit dem Zusatz „Reiten fremder Pferde“, wo nötig auch mit Einschluss des Risikos „Pferdeturniere und Springreiten“. Es ist auf eine ausreichend hohe Deckungssumme zu achten, da bei einem allfälligen Körperschaden die Ersatzansprüche oftmals erheblich sind, zudem auch die Regresse der Sozialversicherungen anfallen.

Schaden am Pferd sowie an Reit- und Fahrausrüstung

Haftung für einen Schaden am Pferd sowie an Reit- und Fahrausrüstung

Erleidet das Pferd oder die Reit- und Fahrausrüstung einen Schaden, so hat der Schädiger dafür aufzukommen. Hat der Halter die Ursache gesetzt, trägt er den Schaden s

elbst. Hat eine Hilfsperson, eine Mieterin oder in anderer Eigenschaft beteiligte Person den Schaden verursacht, so haftet sie nach Art. 41 OR, sofern sie ein Verschulden trifft. Verletzt sich das Pferd als Folge eines unvorhersehbaren eigenen Verhaltens, besteht – wie im einleitend geschilderten Fall – keine Haftung. Der Eigentümer des Pferdes trägt den Schaden.

Sam

Um sich vor dieser Folge zu schützen, muss er das Pferd versichern. Verschiedene Gesellschaften bieten Spezialversicherungen für folgende Risiken an

  • Todesfall
  • Diebstahl
  • Gebrauchsunfähigkeit
  • tierärztliche Behandlungskosten bei Unfall und Krankheit
  • Assistance-Versicherung beschränkt auf Schäden beim Transport von Pferden.

Der Abschluss eines Versicherungsvertrages wird von einer vorgängigen tierärztlichen Untersuchung abhängig gemacht. Die Prämie hängt vom versicherten Leistungsumfang und der vereinbarten Maximalsumme ab und dem Alter des Pferdes ab.

Motorroller


Fazit

Wer Eigentümer eines Pferdes ist, wer ein Pferd reitet oder es in anderer Weise nutzt, sollte sich über die damit verbundenen finanziellen Risiken Rechenschaft geben und sich fragen, ob er, und wenn ja in welchem Umfang, diese Risiken versichert will. Wie die aufgeführten Beispiele zeigen, stellen sich zudem oft heikle rechtliche Fragen.

Unerlässlich ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für die Folgen einer Haftung nach Art. 56 oder 41 OR für von Dritten erlittene Schäden. Diese übernimmt auch die Abwehr ungerechtfertigter Forderungen. Der Eigentümer muss zudem entscheiden, ob er das Risiko allfälliger Schäden an seinem Tier, für die kein Haftpflichtiger aufkommen muss, selber tragen oder aber angemessen versichern will. Ist Letzteres der Fall, empfiehlt sich – wie immer bei einem Versicherungsabschluss – eine kompetente Beratung und eine sorgfältige Prüfung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, um sich über den Deckungsumfang und allfällige Ausschlüsse vor Eintritt eines allfälligen Schadenfalls im Klaren zu sein.

ALAIN PFULG, FACHANWALT HAFTPFLICHT UND VERSICHERUNG, BERN

Verkehrsunfall mit Pferd


Versicherer

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Epona (https://epona.ch/de/angebote/pferde)
  • Zürcher Pferdeversicherungsgenossenschaft (https://www.zh-pferdeversicherung.ch/)
  • BES Pferdeversicherung (https://abes-pferdeversicherung.ch)
  • PASURA Bündner Pferdeversicherung (www.pasura.ch)
  • Aarg. Pferdeversicherungs-Genossenschaft (www.ag.pferdeversicherung.ch)
  • Pferdeversicherung Seeland (www.pferdeversicherung-seeland.com)
  • Basellandschaftliche Pferde- und Viehversicherung (https://blpv.ch/)
  • Pferde-Versicherungsgenossenschaft Langenthal & Umgebung (https://www.pfvl.ch/)

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