Am Ende des Tages möchte jeder Sportler gewinnen!
Autor: René Baumann, Reitcoaching-Baumann (zuerst im Passion 01/2024 veröffentlicht)
Was ist Mentaltraining? Was in anderen Sportarten oder Lebensbereichen schon lange angekommen ist, fristet in der Welt der Reiter und Reiterinnen ein zu Unrecht noch kümmerliches Dasein. Die Definition von „mentaler Stärke“ lautet: „Mentale Stärke bedeutet, daran zu glauben, mit den eigenen Gedanken, Einstellungen und Gefühlen auch sein Verhalten, die Gesundheit und das Leben beeinflussen zu können. Mental starke Menschen sind meist optimistischer. Sie gehen davon aus, dass alles, was sie tun, sich in irgendeiner Weise auswirkt». Laut zahlreichen Studien und Forschungen lassen wir einen grossen Teil unseres Gehirns brach liegen und nutzen nur ungefähr 2/3 unserer Leistungsmöglichkeiten. Mit gezieltem Training unter Anleitung, lassen sich diese Lücken füllen resp. das vorhandene Potenzial ausschöpfen. Sei es um angestrebte Ziele zu erreichen oder Probleme und Ängste anzugehen. Wie das aussehen könnte erklärt uns der Reitcoach René Baumann im folgenden Beitrag.
Anlässlich einer Weiterbildung für Berufsreiter, organisiert vom Inforama in Zollikofen traf PASSION René Baumann in der Reitsportarena in Roggwil und erfuhr eine Menge über Mentaltraining im Reitsport.
René Baumann kommt aus Deutschland genauer gesagt aus der Nähe von Bremen, ist aktiver Spring- und CC Reiter bis zu einer Höhe von 160cm, Trainer und Ausbildner und – last but not least – Reitcoach.
Aufgewachsen und gross geworden mit Ponys und der erfolgreichen Teilnahme an Turnieren, erlitt der junge Reiter mit 15 Jahren einen äusserts schweren Unfall mit einem Pferd. Nach fast einem Jahr Rekonvaleszenz stieg er wieder in den Sattel. Körperlich war soweit alles wiederhergestellt und funktionstüchtig. Nur der Kopf, genauer gesagt das Mentale lief so gar nicht nach Wunsch. Als René versuchte seine vorherigen reiterlichen Leistungen an Turnieren abzurufen, begann der Stress schon am Abreitplatz. Die Angst und Panik steigerte sich ins Unerträgliche, insbesondere bei den Dreifach-Kombinationen. Nichts half, weder das Anziehen von Sturzwesten, noch gut gemeinte Ratschläge wie etwa „das wird schon wieder…“. Wie ein Film lief in diesem Moment der Unfallhergang in seinem Kopf ab. Mentaltraining war zu diesem Zeitpunkt in der Reiterwelt überhaupt noch kein Thema. Bücher und das Internet halfen René Baumann zum Teil weiter auf seiner Suche nach Hilfe. Denn das Reiten aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Als ausgebildeter Lehrer in Mathematik und Sport hatte er gelernt Probleme lösungsorientiert und didaktisch anzugehen. Aus seinen autodidaktischen Erfahrungen entstand der Wunsch sich mit den mentalen Lehren umfangreicher zu beschäftigen. Daraus resultierte eine Ausbildung auf diesem Gebiet und die damit verbundene heutige Tätigkeit als Coach und Mentaltrainer.
Ab diesem Zeitpunkt unseres Gesprächs beginnen die Erzählungen aus dem Coaching-Alltag von René Baumann.
„Erfahrungsgemäss wird für Pferde sehr viel getan: aufwärmen vor den Lektionen, der Physio – oder Ostheotherapeut ist regelmässig zu Gange im Stall, Futter und Ausrüstung unterliegen strengen Kriterien und werden bei Bedarf angepasst. Die mentale Vorbereitung der Reitersportlerhingegen bleibt oftmals auf der Strecke. Ein mentales Warm up ist genauso wichtig und entscheidend wie die ganzen Vorbereitungen der Pferde.
Sollte sich ein Reiter auf die Suche nach einem passenden Coach machen, ist es hilfreich, sich diesen in einem reiterlichen Umfeld zu suchen. Ich als reitender Coach mit meinem Hintergrund kann mich in meine Klientel reinversetzen. Ich weiss, wie sich Panik, Frust und hohe Erwartungen anfühlen. Und ich weiss auch, wie Pferde darauf reagieren. Die Empathie meinem Gegenüber ist authentisch. Was einer nicht reitenden Person wahrscheinlich schwerer fallen wird.
Aus welchen Gründen kommen Reiter und Reiterinnen auf der Suche nach einem Mentaltrainer zu mir? Die Gründe dafür sind so vielfältig wie das Leben selbst: bessere Resultate an einem Turnier, nach einem Unfall wieder selbstsicher und gelassen im Sattel sitzen, ein hohes Ziel wie eine Meisterschaft oder Olympiateilnahme anstreben, eine bessere Beziehung zu seinem Pferd aufbauen usw.
Früher wurden Pferde vor allem über Muskelkraft bewegt und geritten. Die Erkenntnis, dass Gedanken einen entscheidenden Einfluss auf das reiterliche Geschehen haben können, muss erfahren werden.
Widmen wir uns der Frage, was ist mentales Training? Es ist Training mit dem gleichen Anspruch wie an das reiterliche, physische Training. Also nicht in warmem Badewasser dahin dösen und sich mit positiven Gedanken beschäftigen. Für eine Teilnahme an einem Turnier steigt auch kein Reiter zum ersten Mal am Mittwoch aufs Pferd um am Samstag zu gewinnen.
Mit jedem meiner Klienten wird ein individueller Plan erarbeitet. Dazu gehört ein erarbeiteter Fragenkatalog: Was kann ich, was nicht? Wie gehe ich mit negativen Gedanken um? Wo ist mein Problem und wie sieht die Lösung dafür aus?
Ich als Coach muss über eine grosse „Werkzeugkiste“ verfügen um meiner Klientel das Geeignete an die Hand geben zu können mit der entsprechenden Gebrauchsanweisung. Atemübungen, Fokussierungen und visuelle Vorstellungen müssen geübt und auswendig gelernt werden, um am Turnier oder in brenzligen Situationen sofort präsent zu sein.
MKS Mental Kinemastisches Springreiten
Kinematik, der Begriff stammt aus dem Griechischen und beschreibt, wie sich ein Körper bewegt. Aus diesem Grund wird Kinematik auch als Bewegungslehre bezeichnet.
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