Tanzen auf dem Seil
Gedanken zu Balance und Gleichgewicht
Autor: Denra Dürr, Intelligent Reiten (zuerst im 2022 auf 4my.horse veröffentlicht)
Du erfährst in diesem Blog:
- wie dir deine Hand Informationen über das Gleichgewicht deines Pferdes liefert
- was Reiter und Seiltänzer gemeinsam haben
- dass auch der Reiter seine Balancierstangen hat
- was Pferd und Motorrad verbindet
Deine Hand ist wie ein Sensor, der dir Informationen über das Gleichgewicht deines Pferdes liefert!
Wie funktioniert dieser Sensor?
Reite auf einem Reitplatz oder im Gelände geradeaus. Du hast die Zügel aufgenommen und weichen Kontakt zu den Maulwinkeln deines Pferdes. Nun beobachte, welcher deiner beiden Ringfinger mehr Druck, Zug oder Festigkeit erhält.
Ist es dein linker Ringfinger, weist dich dies auf ein Übergewicht in der linken Schulter deines Pferdes hin, ist es der rechte, ist dieses Übergewicht in seiner rechten Schulter. Das heisst: Dein Pferd befindet sich in seiner Vorhand nicht im Gleichgewicht, ist nicht ausbalanciert, und somit auch nicht geradegerichtet!
Anmerkung:
Häufigste Ursache dafür ist die natürliche Schiefe oder die angerittene Schiefe. Darum sind theoretische und praktische Kenntnisse im Geraderichten von Bedeutung. Nur so kannst du die Begabungen deines Pferdes fördern, es dabei gesund erhalten und Leichtigkeit beim Reiten erfahren.
In meinem Blog “Wege zum Geraderichten”, erfährst du mehr zu diesem Thema.
So wie die Hand Ungleichgewicht erkennen kann, kann sie zusammen mit Sitzzentrum und Bein verloren gegangenes Gleichgewicht auch wieder herstellen, ganz ähnlich wie ein Hochseiltänzer mit seiner Balancierstange.
Balancieren
Die Kunst des Hochseilakrobaten ist das Balancieren, und Balancieren hat mit Kontrolle des Schwerpunktes zu tun. Kann der Akrobat seinen Schwerpunkt genau über dem Seil halten, ist er im perfekten Gleichgewicht. Dies sind für ihn die „goldenen Momente“. Dabei leistet ihm die Balancierstange gute Dienste und je nach Höhe des Seils sogar überlebenswichtig.
Auch Reiten ist in seiner Essenz ein Balanceakt.
Die Spur, auf der ein Pferd geht, ist im Verhältnis zu seiner Masse und Höhe sehr schmal. Wenn du von vorne schaust, ähnelt es mehr einem Motorrad als einem Auto.
Balance ist für einen Motorradfahrer viel bedeutender als für einen Autofahrer.
Ein Reiter im Sattel muss sich also eher wie ein Motorradfahrer verhalten, besonders in den Kurven.
#No 2: die Fussballen
Gibt man mit dem Fussballen des einen grossen Zeh einen leichten Druck in den Bügel, fliesst zu dieser Seite mehr Gewicht.
#No 3: die Zügel
Die Schulter, zu der man die Vorhand mit Hilfe des Zügeltrichters führt, erhält mehr Gewicht.
#No 4: das Gebiss
Hebt man auf der einen Seite das Gebiss leicht an, fliesst Gewicht in die gegenüberliegende Gebisshälfte und Schulter.
Es findet also ein permanentes Umverteilen, Ausgleichen und Harmonisieren von Kräften statt. Und genau darum ist Reiten in seiner Essenz ein Balanceakt.
Durch das Praktizieren und Erforschen der verschiedenen Balancemöglichkeiten erlangst du mit der Zeit eine Fertigkeit im Sattel, die der eines Seiltänzers oder guten Motorradfahrers gleichkommt.
Weshalb liegt mir dieses Thema so am Herzen?
Weil der Grad der Losgelassenheit des Pferdes in direktem Verhältnis zum Grad des gemeinsamen Gleichgewichtes steht.
Erst im absoluten Gleichgewicht kann ein Pferd seine Kräfte zu 100 Prozent in den Dienst des Reiters stellen und dabei zufrieden sein.
Dies zu erleben sind meine „goldenen Momente“.
Sie sind rar, doch genau sie sind es, die mich (fast) jeden Tag mit Begeisterung und Vorfreude in den Sattel steigen lassen. Es ist wie eine Reise, auf die ich mich jeden Tag aufs Neue begebe, ohne zu wissen, wie weit und wohin ich bis zum Abend kommen werde.
Gerne bin ich für dich da, wenn du hierzu Fragen hast oder Unterstützung wünschst.
Weiteres zu diesem Thema findest du im Video “Warum einhändig reiten”:
0 Kommentare