Dass Pferde bewusstseinsfördernd sind, ist nichts Neues. Genau so wenig, wie Firmen erkannt haben, dass sie Frauen an Führungspositionen heranlassen sollten. Nur: Wer zeigt ihnen wie? Und was hat das Pferdebewusstsein mit weiblicher Führung zu tun? Mannsweiber an der Firmenspitze oder sogar an der Familienspitze? Geht’s noch?
Leitstute oder Leithengst?
Was das Pferdebewusstsein mit weiblicher Führung zu tun hat
Autorin: Caroline Wolfer, natural-horses
Dass Pferde bewusstseinsfördernd sind, ist nichts Neues. Genau so wenig, wie Firmen erkannt haben, dass sie Frauen an Führungspositionen heranlassen sollten. Nur: Wer zeigt ihnen wie? Und was hat das Pferdebewusstsein mit weiblicher Führung zu tun? Mannsweiber an der Firmenspitze oder sogar an der Familienspitze? Geht’s noch?
Gehörst du zu den Frauen, die bei lautem Gepolter den Kopf schütteln und es lieber auf die sanfte Art versuchen? Oder zu den Männern, welche sich nicht wirklich männlich fühlen? Beide Wesensarten sind sich ähnlich und ziehen sich auch gegenseitig an; Frauen mit unterdrückter Männlichkeit (beziehungsweise einer ablehnenden Haltung Männern gegenüber) gehen in Resonanz mit Männern, welche ihre Männlichkeit nicht voll ausgebildet haben.
Doch eine komplett in ihrer Weiblichkeit ruhende Frau sucht sich nicht einen ‘halb männlichen Mann’. Und umgekehrt. So kann sich auch ein Mann nur richtig männlich fühlen, wenn er eine richtig weibliche Frau hat. Das alles geschieht unbewusst.
Im normalen Leben mag es für jede Nuance Platz haben. Wer im Leben aber eine Führungsposition beanspruchen möchte, tut gut daran, sich dieser Aspekte bewusst zu werden. Lernen können wir dabei von den Pferden:
Führung nach Kompetenz
Schauen wir mal eine intakte Pferdeherde an: Deren weises Oberhaupt ist die Leitstute, beziehungsweise die Leitstuten. Denn sie sind ein Team. Es gibt in der Regel nicht nur eine Stute, welche bestimmt, wo’s lang geht, sondern die ranghohen Stuten wechseln sich je nach ihren Kompetenzen ab. Weiss eine bei einer gefährlichen Situation besser Bescheid als die Hauptstute, übernimmt sie ganz natürlich die Führung. Ohne Wenn und Aber der anderen, ohne Diskussionen und Gezicke.
Leitstuten bestechen durch ihre Ausstrahlung. Durch ihre Souveränität, Klarheit, Sensibilität, durch ihr Feingefühl, ihre Entscheidungskraft, ihre Weisheit – und: durch dass sie sich auch mal erlauben können, dem Leithengst eine zu knallen.
Klar, aber liebevoll.
Dieser Fakt gefällt den wenigsten Männern an meinen Kursen. Im Geheimen aber wünschen sich viele ein solches weibliches Gegenstück, damit auch sie daran wachsen können. Wenn ich dann frage, ob sie sich denn im Moment vollkommen männlich fühlen, kommt Neugier auf.
Frauen hingegen machen grosse Augen und denken:
Ich? Eine knallen? Darf ich das? Das will ich nicht.
Natürlich meine ich das nicht in Gewaltform, sondern in Energieform. Das heisst, man setzt die Energie frei, welche die Leitstute frei setzt, wenn sie ausschlägt. Es geht hier um Energieblockaden im männlichen oder weiblichen Bereich.
In der Gesellschaft ist so etwas verpönt, nicht zuletzt darum, weil viel zu viel unterdrückte Wut in unkanalisierten Aggressionsausbrüchen endet. Auch als moderne Frau lernt man lieb zu sein, für andere zu sorgen und sich anzupassen. Nur geht es hier gar nicht in erster Linie um die Frau oder den Mann. Sondern darum, das Weibliche und das Männliche bis auf seinen Kern zu verstehen.
Solange wir nur an der Oberfläche rumkratzen, gehen Beziehungen auseinander, oder bleiben fälschlicherweise zusammen, trampen Chefs auf Mitarbeitern rum, verstehen Eltern ihre Kinder nicht und Menschen ihre Pferde.
Yin-Yang
Männlich und weiblich sind immer zusammen unterwegs. So wie im chinesischen Symbol Yin-Yang. Wikipedia beschreibt dieses gut: „Sie stehen für polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien, in dem das weiße Yang (hell, hart, heiß, männlich, aktiv, Bewegung) und das schwarze Yin (dunkel, weich, kalt, weiblich, passiv, Ruhe) gegenüberstehend dargestellt werden.“
In einer Pferdeherde ergänzen sich das Weibliche und das Männliche, sie bekriegen sich nicht, sonst würde die ganze Herde ausgelöscht.
In „Menschenherden“ ist man noch im Mittelalter stecken geblieben, und auf der Suche nach dem wie. Bevor aber ein einziges Individuum nicht begriffen hat, dass es beide Pole bzw. Kräfte in sich trägt, und dass sie sich beide innerhalb des gleichen Menschen entwickeln möchten und vor allem Frieden schliessen, kann im Aussen Mann und Frau, wie auch Pferd und Mensch nicht reibungsfrei zusammen leben.
Raum für die Persönlichkeit
Gehen wir noch einmal auf die Leitstute ein: Sie hat nicht die Schönste zu sein, sondern diejenige, die sich am meisten Raum zuspricht. Steht man neben so einer Persönlichkeit, ist ihr Raum sehr präsent. Sie teilt ihn entweder grosszügig mit anderen, oder sie ruht einfach in ihm.
Ihr Umgang mit dem Raum ist bemerkenswert und zieht nach sich, dass alle davon teilhaben möchten. Sie wirkt wie ein Magnet, dem man gerne hinterher läuft, weil man ihr vertraut. Wenn andere zanken, geht es an ihr vorbei, fühlt sie sich nicht angegriffen. Denn sie ist sich ihrer selbst und ihrem Raum sehr sicher.
Führt man sich die vielen tollen Eigenschaften der Leitstute genauer vor Augen und überträgt sie auf weibliche Führungspersonen, ist erkennbar, dass die wahre Leitstute meist nicht verstanden und integriert worden ist.
Also ich soll gleichzeitig sensibel wie auch klar sein, den Tarif durchgeben können aber auch in mir ruhen, in meinem Raum stehen und unangreifbar sein?
Weil Sensibilität im Sprachgebrauch eher einen negativen Touch der Schwäche hat und Klarheit oft mit unterdrückender Dominanz verwechselt wird, steht Frau bald vor dem Berg. Die vielen gesellschaftlichen Vorurteile und Vorstellungen, wie das Weibliche zu sein hat, machen es nicht leicht, die eigene wahre Weiblichkeit zu finden und auszubilden. Vorbilder dazu in Menschenform sind auch spärlich gesät.
Wie entfalte ich die Weiblichkeit? Die Selbsttäuschung
Schon lange profiliere ich die Leitstutenführung, ob mit Menschen oder Pferden. In einer Welt, die sich kontinuierlich in vielen Jahrzehnten ein männliches Übergewicht erschaffen hat, ist die Zeit nun reif, dem Gegenstück Platz zu geben. Im Begriff, ein Buch über die Leitstutenführung zu schreiben, da ich ja schon genug lange darüber nachgedacht hatte, wurde ich aber unterbrochen – von meinen Pferden. Und die wissen es immer besser.
Ich hatte das Thema auch nach vielen Jahren Erfahrung immer noch nicht bis auf den Grund begriffen und scheiterte beim Umsetzen im Leben. Meine Pferde zeigten mir auf, dass ich in eine Falle geraten war: Als Pferdefrau mit sportlichem Körper verrichtete ich aller Art männliche Arbeiten. In Argentinien unterrichtete ich Gauchos, oftmals mit extremem Macho-Charakter, und sie waren die beste Lebensschule für mich, die mir gezeigt hat, dass man übertriebener Männlichkeit besser nicht mit Männlichkeit begegnet. Denn das artet im Kampf aus.
Nachdem ich das begriffen hatte und es mich aus sehr unangenehmen Situationen rettete, sagte mir mal jemand: „Kannst du nicht Frau sein?“ Volltreffer in die Wunde.
Und was tat ich seit dem? Ich schaufelte ein riesengrosses Grab, warf meine starke männliche Seite hinein, verschüttete es mit unendlich viel Dreck und verbannte das Grab ins Unterbewusstsein. In der Hoffnung, dass sich nun meine Leitstute zeigen könne. Aber wie sah die in Menschenform aus? Ich zog Röcklein und Absatzschuhe an, bemalte meine Nägel und die Lippen, frisierte meine Haare hübsch, passte mich an, lächelte freundlich, wurde weich, brauchte meine Kraft nicht mehr. Es half nichts. Und mehr: ich verkümmerte! Ich spielte mir vor, dass ich in mir ruhend sei. In Wahrheit unterdrückte ich Emotionen.
Das Puzzleteil
Nachdem der Kochtopf kurz vor dem Explodieren war, offenbarte mir jemand das fehlende Puzzleteilchen, oder zumindest ein Fehlendes:
Ein Hengst! Stolzierend, männlich sich präsentierend, stark und muskulös führte er mir die wahre männliche Kraft vor Augen.
Im gleichen Atemzug sanft, beschützend und sein Leben hergebend für alle Geschöpfe unter seiner Obhut. Es war höchst berührend, ihn zu beobachten, wie er immer im richtigen Moment das Richtige tat. Fair und klar, und ohne Energieverschwendung.
Es war für mich nicht neu, Hengstverhalten zu beobachten, aber es 24 Stunden lang im Stall zu erleben und dazu die Reaktionen meiner Stuten zu beobachten, war erhellend.
Erst sträubten sich die Stuten gegen das neue, starke Männliche im Stall und verzogen sich mit abweisender Miene. Eine Stute schon älter und lange nicht mehr rossig. Die andere in ihrem weiblichen Teil verkümmert und unterdrückt – Wehen ihrer Vergangenheit. Nach ein paar Wochen fingen beide Stuten an, sich für den galanten, friedvollen Herr zu interessieren und mir fielen die Schuppen von den Augen: Die alte Stute wurde wieder rossig, schien 10 Jahre jünger und blühte vollkommen in ihrer Weiblichkeit auf. Die verknitterte Stute, die noch nie rossig gewesen war, bekam schon einen dicken Bauch nur beim Anblick des Hengstes. Und ein Tag nach dem Deck-Akt begann sie schon für zwei zu fressen. Ihre Augen wurden weich, ihr Raum entfaltete sich und sie fing an, ihrem Liebsten ab und zu eine zu knallen. Mittlerweile sind sie ein harmonisches Ehepaar, beide in ihrer wahren Grösse.
Was wollten meine Pferde sagen? Sie zeigten mir im Aussen, was in mir drinnen geschehen war und jetzt geschehen darf:
Hör auf, dich zu verziehen! Schliesse Frieden mit dem Männlichen in dir, das du begraben hast! Ohne das männliche Puzzleteil kann sich die starke Frau nicht entfalten! Es ist nicht entweder – oder, es ist sowohl als auch!
Wie immer galt diese Botschaft nicht nur mir, sondern wollte in meiner Arbeit mit Frauen und Männern umgesetzt werden.
Doch zuerst musste ich es an mir be-greifen.
Und so suchte ich nach einer Schaufel und begann das Grab aufzutun, den Dreck abzutragen, der nur dazu diente, das Wahre zu verhüllen. Schicht für Schicht trug ich ab, öffnete ich das Grab, und wanderte ins dunkle unbekannte Loch hinein. Auf dem Weg wurde ich stärker, kräftiger, bestimmter, zielstrebiger, wieder männlicher. Zur gleichen Zeit wuchs in mir das Weiche, Klare, Weise, dem ich zuvor auf den Grund gegangen war und merkte, dass es in keiner Weise darunter litt, dass ich seinem männlichen Gegenstück wieder mehr Luft gab – im Gegenteil: es freute sich, und wusste sich im gleichen Körper drin unterstützt und aufgehoben.
Der Weg ist noch nicht fertig, denn jetzt kommt die Umsetzung. Jetzt gilt es, die beiden Kräfte im richtigen Moment in der richtigen Intensität wahrheitsgetreu bei der richtigen Person anzuwenden: beim Pferd, beim Partner, bei der Partnerin, bei den Eltern, Kindern, Chefs und Mitarbeitern.
In diesem Sinne, in Liebe und mit ganzem Herzen: fröhliches Nachdenken über Hengst und Stute!
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