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Pferde dürfen ruhig ihr Maul aufmachen!

von | 9. Aug. 2024

Der Sperrriemen ist unnötig

Er ist unnütz und tut weh

Autorin: Doris Paschke (erstmals am 10.12.2019 auf 4my.horse veröffentlicht)

Es wurde schon sooo viel dazu geschrieben und heute muss ich es auch mal tun, denn anscheinend kommt es bei vielen nicht an: Lasst es doch endlich, Euren Pferden mit dem Sperrriemen das Maul zuzuschnüren!

Er ist unnütz und tut weh – also warum tut man das einem Pferd immer wieder an?

Weil „man“ das so macht? Weil er nun mal an der Trense dran ist? Weil es „war schon immer so“? Ich kann es wirklich nicht nachvollziehen.

Ja, dieses Teil hat eine verdammt lange Tradition. Vermutlich ist dieses zuschnürende Teil – denn nichts Anderes ist es – im 19. Jahrhundert erfunden worden. Damals waren Pferde wichtig für den Kriegseinsatz und viele Soldaten mussten sehr schnell lernen, sich irgendwie im Sattel zu halten. Wenn der Feldzug bevorstand, dann war da keine Zeit für eine reiterliche Basisausbildung. Viele griffen deshalb viel zu hart und stark in den Zügel. Die Kavallerie musste über Schützengräben springen und bei der Landung war es keine Seltenheit, dass sie die Zügel noch oben rissen. Springtraining hatten schließlich die wenigsten. Das führte zu einer großen Zahl von Unterkieferbrüchen bei den Pferden. Durch den Sperrriemen konnte in diesen Extremsituationen der Druck etwas besser verteilt und damit viele Brüche verhindert werden.

Allerdings war die Verschnallung des Lederriemens nicht so wie er heute noch viel zu oft zu sehen ist. Er ging durch die Aufhängung der Trense und wurde dann oben an der Nase verschnallt. Dadurch erfolgte wohl eine bessere Druckverteilung. Auf historischen Bilder gibt es unterschiedliche Varianten zu sehen, aber so wie heute sieht die Verschnallung nicht aus.

Zu Kriegszeiten hatte er seine Berechtigung

Also das lasse ich gerade noch gelten, dass es in der Vergangenheit einen Sinn gehabt hat, einen Sperrriemen zu verwenden. Sofern man bei kriegerischen Einsätzen überhaupt von Sinn sprechen möchte, aber das ist ein ganz anderes Thema. Wir alle müssen, Gott sei Dank, nicht mit unserem Pferd in den Krieg ziehen. Und wenn ich beim Springen die Hände nach oben reiße, dann sollte ich an meiner reiterlichen Basis arbeiten und das Springtraining nach hinten schieben. Es gibt heutzutage einfach absolut keinen Grund, meinem Pferd das Maul zuzuschnüren.

Manche sagen dann: Wenn ich den Sperrriemen nicht dran habe, dann reißt mein Pferd dauernd sein Maul auf und streckt manchmal sogar die Zunge raus. Ja, und? Dann wird es einen verdammt guten Grund dafür haben. Dann hat es Schmerzen oder irgendetwas ist ihm zumindest unangenehm. Vielleicht wirkt die Reiterhand zu stark ein, vielleicht hat das Pferd unangenehme Erfahrungen mit dem Gebiss gehabt, vielleicht gibt es ein Problem mit den Zähnen, vielleicht ist das Gebiss zu groß usw. Es ist doch sein gutes Recht uns mitzuteilen, dass da irgendwas nicht stimmt. Es kann doch nicht die Lösung sein, dann einfach das Maul zu verschnüren und dann ist alles wieder gut. Da muss ich doch herausfinden, woran das liegt.

Beim gebisslosen Reiten ist ein Nasenband notwendig

Freiheit zum Atmen, Kauen und Loslassen

Wenn ich in Kursen oder im Reitunterricht sage: Jetzt mach das Ding mal ab und dann gucken wir, was Dein Pferd macht. Wisst Ihr, was dann aus meiner Erfahrung passiert? Überhaupt nichts, also nichts „Schlimmes“. Sondern das Pferd hat endlich genug Freiheit zum Atmen, Kauen und Loslassen. Wie soll denn bloß echte Losgelassenheit entstehen, wenn ich einzelne Körperteile verschnüre? Das ist für mich absolut unlogisch.

Versucht doch selbst mal locker zu joggen, während ihr die ganze Zeit die Zähne fest zusammenbeißt. Das geht nicht gut, der gesamte Körper wird blockiert. Warum sollte das beim Pferd anders sein?

Ich gehe sogar noch weiter und sage: Auch Reithalfter brauche ich nicht am Pferdekopf. Wenn ich eine gebisslose Zäumung habe, dann brauche ich natürlich den Nasenriemen. Da habe ich ja kein Gebiss. Oder bei einer Zäumung, die auf Gebiss und Nase einwirkt. Aber bei allen anderen sehe ich keinen Sinn in einem Reithalfter. Und wenn ich eins nutze, dann bitte so locker verschnallen, dass das Pferd ausreichend Bewegungsfreiheit hat. Damit es tief atmen und nach Wunsch kauen kann. Früher wurden selbst hohe Dressurprüfungen ohne Reithalfter geritten. Heute ist das Reithalfter auf Turnieren nicht mehr wegzudenken. Das sollte uns zu denken geben.

Gähnen baut Stress ab

Ich beobachte es so oft, dass Pferd während oder nach einer Trainingseinheit auch mal herzhaft gähnen. Damit lockern sie ihren gesamten Kieferbereich und das Gähnen dient zudem dazu, die gerade gemachten Erfahrungen zu verarbeiten. Denn Gähnen baut Stress ab. In einer ungewohnten Situation, zum Beispiel bei einem Kurs in fremder Umgebung, Gähnen manche Pferde deshalb häufiger als sonst. Sie bauen dadurch Spannung ab. Wobei Spannung nicht grundsätzlich als negativ betrachtet werden muss. Das Pferd braucht ja eine gewisse Körperspannung, genau wie wir Reiter, um bestimmte Lektionen absolvieren zu können.

Übe ich neue Dinge, dann fordere ich dem Pferdekörper mehr Leistung ab. Dann muss ich im Anschluss dafür sorgen, dass eine Entspannungsphase folgt. Die halt manchmal mit einem herzhaften, entspannenden Gähnen einhergeht.

Mein Wunsch: Freiheit für das Pferdemaul! Lasst sie kauen, schmatzen, gähnen und was ihnen sonst noch so einfällt. Wenn Euch nicht „passt“, was das Pferdemaul tut, dann gibt es einen Grund dafür. Der muss gefunden und nicht das Symptom unterbunden werden.

Gähnendes Pferd (Titel): Bild von Rebecca Schönbrodt-Rühl auf Pixabay
Luna mit Kappzaum Goethe von Dauberg&Roth: 4my.horse

 

Beiträge zu diesem Thema

Beatrice Hohl
Beatrice Hohl
Während 22 Jahren durfte ich Luna, meine wunderbare Trakehnerstute, als Partnerin und Lehrmeisterin in meinem Leben haben. Sie hat mich viel über das Wesen Pferd (aber auch über mich und über Menschen!) gelehrt und war letztendlich auch der Grund dafür, dass ich das Pferdeportal 4my.horse (neu: passion.4my.horse) ins Leben gerufen habe.

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