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Hufbearbeitung

von | Dez 5, 2021 | Gesundheit, PASSION | 0 Kommentare

Hufe stehen in komplexem Zusammenhang mit dem Gesamtorganismus eines Pferdes.  Zahlreiche Krankheiten und Probleme unserer domestizierten Pferde sind auf Deformationen, Anomalien und Disfunktionen der Hufe zurückzuführen. Die Hufbearbeitung nach der Straßer Methode orientiert sich am Vorbild der Natur, berücksichtigt wissenschaftlich anerkannte Faktoren und nimmt das Pferd als Ganzes in Augenschein.

Hufbearbeitung

nach dem Vorbild der Natur

Autorin: Meike Bölts für das Schweizer Reitmagazin PASSION

Hufe stehen in komplexem Zusammenhang mit dem Gesamtorganismus eines Pferdes.  Zahlreiche Krankheiten und Probleme unserer domestizierten Pferde sind auf Deformationen, Anomalien und Disfunktionen der Hufe zurückzuführen. Die Hufbearbeitung nach der Straßer Methode orientiert sich am Vorbild der Natur, berücksichtigt wissenschaftlich anerkannte Faktoren und nimmt das Pferd als Ganzes in Augenschein.

Bei ihren Untersuchungen zum Thema Hufgesundheit stieß die Tierärztin Dr.med.vet. Hiltrud Straßer vor über 30 Jahren auf zahlreiche in Vergessenheit geratene Studien sowie Wissen über den Huf und ganzheitliche Denkansätze der Medizin. Diese und ihre eigenen Forschungsergebnisse gaben den Anstoß, nach einer Möglichkeit zu suchen, Pferde in menschlicher Obhut natürlich und gesund zu (er)halten.

„Als ich meine Pferdehaltung begann hatte ich wenig Geld und entschloss mich, als gelernte Pferdewirtin, sie im Offenstall auf einem Stück Brachland selber zu versorgen,“ erzählt Hiltrud Straßer über ihre Anfänge. Es überraschte sie, dass der Schmied, den sie zum Beschlagen ihrer beiden jungen Pferde rief, ihr sagte, dass diese guten Hufe keine Eisen benötigten.

„Ich hatte doch gelernt, dass Reitpferde Beschlag brauchen. Das Reiten ging wirklich sehr gut ohne Hufeisen. Mich interessierte dieser Fakt, da er ja im Gegensatz zur Lehrmeinung stand. Deshalb besorgte ich mir alle Huflehrbücher die ich finden konnte, auch in anderen Sprachen“, berichtet die Tierärztin darüber, wie sie unter anderem herausfand, dass auch Schmiede der Meinung waren, Hufeisen seien ein „Übel“, welches man nur im Notfall anbringen sollte. „So hatte ich es auch bei Professor Ruthe an der Humboldt Universität Berlin gelernt und mir kam seine Erklärung des Hufmechanismus in den Sinn: Der Huf bewegt sich wie ein umgestülpter Eimer, den man an einer senkrechten Linie aufgeschnitten hat, nach außen. Von Vorlesungen wusste ich, dass im engsten (unbelasteten) Zustand der Huf eng am Knochen anliegt und kein Blut zirkulieren kann. Das Weiten des Hufes ist also wichtig für die Blutzirkulation im Kapillarenendgebiet.“ 

Hufabdruck

Der Huf ist ein wichtiges Ausscheidungsorgan

 

Das Organ Huf

Je mehr die engagierte Tierärztin las und forschte, um so spannender wurde das Organ Huf für sie. „Und dann kam ein Zufall hinzu, der – ich kann das wohl so sagen – mein Leben verändert hat. Im Nachbardorf bat mich ein Teenager um Hilfe für sein hochgradig lahmes Pferd, das von mehreren Kollegen als unheilbar diagnostiziert wurde. Es war ein völlig deformierter „Klumpfuß“. Ich wusste, so kann kein Blut zirkulieren und demnach auch nichts heilen. Dann schnitt ich den Huf so zurecht, wie ein normaler Huf aussehen muss, ordnete Offenstall und tägliche zwei stündige Wanderungen mit dem Pferd an.“  Da in kranken (entzündeten) Regionen des Hufs Horn schneller nachgebildet wird als in gesunden, muss das relativ zu schnell wachsende Horn ständig angeglichen werden. Deshalb führte sie bei diesem Pferd zwei Mal wöchentliche Korrekturen durch. Der Heilungserfolg setzte ein und nach einem dreiviertel Jahr konnte der Jugendliche mit seinem Pferd wieder in der Reitstunde springen und es gab auch keinerlei Rückfall. „Das hat mich ermuntert, auf diesem Gebiet weiter zu forschen,“ erklärt Straßer.

Zwanghuf

Deformierter, enger Zwanghuf mit gequetschtem Ballen aufgrund jahrelanger falscher Bearbeitung und Boxenhaltung. Der Hufmechanismus konnte nicht richtig funktionieren und die unphysiologischen Spannungsverhältnisse am Huf führten auf der rechten Seite zu loser Wand.

 

Seitdem wurden in der Hufklinik Tübingen beziehungsweise im Institut für Hufgesundheit und ganzheitliche Pferdebehandlung (IfHpP) zahlreiche Pferde mit als unheilbar geltenden Hufkrankheiten wie chronische Hufrehe, Strahlbeinlahmheit, Spat, Sehnenerkrankungen u.a erfolgreich und dauerhaft geheilt. Nach der Straßer Methode ausgebildete Hufheilpraktiker behandeln Pferde ambulant oder in zertifizierten Kliniken in vielen Ländern der Welt und in Seminaren wird interessierten Pferdehaltern ganzheitliches Wissen rund um Huf und Gesundheit vermittelt.

Beseitigung der Ursachen neben der Symptombehandlung

Da Pferdehufe keine peripheren Köperteile sind, sondern lebenswichtige Organe, die mit zahlreichen Funktionen Einfluss auf andere Körperorgane ausüben, ist eine Huferkrankung stets auch eine Erkrankung des gesamten Pferdes. Damit zusammenhängende innere Organschäden werden aber in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt für den Menschen erkennbar als die Schäden der Hufe.

So lautet die Maxime bei der Hufbearbeitung nach der Straßer Methode: Beseitigung der Ursachen neben der Symptombehandlung. Funktioniere etwas nicht richtig oder verursache Schmerzen, müsse zuerst die Ursache dafür beseitigt werden, erläutert Dr Straßer und nennt als ein Beispiel eine zu lange Hornwand, die adäquat gekürzt werden müsse. Bei der konventionellen Behandlung stehe in vielen Fällen eine schnelle Behebung von Symptomen wie Schmerz und Lahmheit im Vordergrund. Der Blick auf die Ursachen und ihre Behebung rücke häufig in den Hintergrund, so dass die Erkrankung immer wieder kehre, dabei im Laufe der Zeit immer größeres Ausmaß annehme, bis herkömmliche Maßnahmen nicht mehr greifen und das Pferd „erlöst“ werde.

Hilfreich bei der Heilung ist es auch den Körper zu unterstützen.  „Meistens ist es Bewegungsmangel, der zu Minderdurchblutung führt. Oft auch ausgetrocknetes, sprödes, unelastisches Horn, als Symptom“, weiß Straßer aus Erfahrung. Weiter müsse man für Hufbäder sorgen, denn auch in der Natur nehmen Pferde beim täglichen Trinken Feuchtigkeit über die Hufe auf. Kommen Muskelverspannungen, Gelenkprobleme und Schmerzen auf Grund der Schonhaltung hinzu, benötigen die Pferde zusätzlich physiotherapeutische Behandlungen.

Nach dem Vorbild der Natur

Die korrekte Ausführung nach dem Vorbild der Natur ist bei der Hufbearbeitung von großer Bedeutung. Ziel ist es dabei, den Huf in seiner natürlichen Form und Funktion gesund und stark zu erhalten, so dass er ohne jegliche Art von Hufschutz auskommt. Komme artgerechte Haltung, also Bedingungen unter denen tägliche Bewegung von vielen Kilometern auf harten Böden möglich ist, hinzu, können auch Sport- oder Arbeitspferde gesund und leistungsfähig barhuf laufen. Es kann daher nicht genug betont werden, wie wichtig stetige Bewegung für Hufe und Gesamtorganismus ist.

Als potentielles Flucht- und Beutetier ist der Organismus eines Pferdes darauf ausgerichtet, auf Wanderungen und Nahrungssuche bis zu 20 Stunden täglich in Bewegung zu sein. Ruhephasen dauern nur kurz und einen Tag-Nacht Rhythmus wie beim Menschen kennen Pferde nicht. So funktioniert auch der Hufmechanismus nur mittels ausreichender Bewegung richtig.

Pferdeherde

Bewegung und artgerechte Haltung sind unerlässlich für die Hufgesundheit.

 

Die Blutpumpe

„Diese Blutpumpe der Hufe ist notwendig für einen ordnungsgemäßen, gesunden Blutkreislauf im ganzen Körper. Außerdem wird mit dem nach unten fließenden Blutstrom ausscheidungspflichtiges Material (Moleküle) mitgebracht, die in der Huflederhaut als Horn ausgeschieden werden und den Organismus also davon entlasten – genauso wie der Blutfluss durch die Nieren den Organismus von ausscheidungspflichtigen Substanzen befreit. Ohne die reguläre Ausscheidung von nicht mehr brauchbaren Eiweißmolekülen als Horn wird der Blutstrom damit verstopft und belastet andere Stoffwechselorgane wie Leber, Nieren, Haut,“ erklärt die Hufexpertin, die das oft angeführte Argument für die Notwendigkeit eines Hufbeschlags, der den Huf vor zu starker Abnutzung schütze und dem Pferd das Laufen auf jedem Boden ermögliche, für kein gutes hält. Hufbeschlag existiere erst seit ca. 1000 Jahren, Pferde werden aber von Menschen seit etwa 5000 Jahren genutzt und zwar auch auf wesentlich längeren Strecken als heute.

„Hufe sind der Nutzungsbelastung nicht gewachsen, wenn sie wegen Bewegungsmangel schlechte Hornqualität haben oder durch Menschen in falsche Hufform gebracht wurden. Es existieren auch heute noch große und auch sehr unterschiedliche Pferdepopulationen, die keinerlei Probleme des Bewegungsapparates haben, die aber täglich große Strecken meistens in gebirgigen Gegenden und auf steinigem Boden zurücklegen. Trächtige Stuten tragen dabei sogar mehr Gewicht, als das eines Reiters.“ 

Wasserstelle

Hufe benötigen täglich Feuchtigkeit wie hier beim Trinken unter naturnahen Verhältnissen.

 

Der angeschnittene Eimer  

Bereits in den sechziger Jahren hat Professor Ruthe an der veterinärmedizinischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin die Hufkapsel mit einem umgestülpten, schräg angeschnittenen Eimer verglichen, der sich auf Druck spreizt, wenn er senkrecht aufgeschnitten wird um die Funktionsweise eines Equidenhufes zu erklären.

Mit Hilfe dieses einfachen Hufmodells lässt sich der Hufmechanismus sowie alle Auswirkungen unphysiologischer Hufformen qualitativ studieren. Außerdem werden die Effekte von Hufbeschlag sofort erkennbar und leicht verständlich. Diese Idee wurde von Hiltrud Straßer übernommen und zu einem anschaulichen Modell einer Hufkapsel (Strasser Bucket Model) entwickelt. Dabei hat der ideale, voll funktionsfähige Huf in der senkrechten Seitenprojektion die folgenden Winkelmaße: Kronrand-Zehenwinkel: 105 Grad, Vorderhuf-Zehenkontur: 45 Grad, Kronrand-Bodenwinkel: 30 Grad.

„Wer sich das schematische Bild vom umgestülpten und längs aufgeschnittenen Eimer vorstellt, dem ist sofort klar, dass Hufeisen das Weiten der Hufkapsel verhindern und somit Blutzirkulation und Ausscheidungsstoffwechsel weitgehend verhindert werden“, erklärt die ehemalige Schülerin von Professor Ruthe.

Bezüglich Hufgesundheit und Hufbearbeitung nach dem Vorbild der Natur hat Hiltrud Straßer eine Vorreiterrolle eingenommen, ihre Forschungen werden als revolutionär bezeichnet und tragen bis heute maßgeblich zur Verbesserung der modernen Pferdehaltung bei.  „Seit ich mit meinen Erkenntnissen an die Reiteröffentlichkeit gegangen bin, haben viele Pferdehalter ihre Pferde aus den Boxen geholt und Offenställe geschaffen. Denken wir an die Laufstall AG (LAG), deren Gründungsmitglied ich war oder an den „Aktivstall“, der von Leuten entwickelt wurde, die meine Seminare besucht hatten. Heute sind fast nur noch die Pferde in Boxen, mit denen jemand Geld verdienen will, also Hochleistungsturnierreiter oder Rennpferdebesitzer. Insofern hat sich schon viel zum Wohle der Pferde getan, einschließlich des gebisslosen Reitens. Das Eisen im Maul ist ja eine Quälerei wie das Eisen am Huf.“


Die vier zusätzlichen Herzen des Pferdes

„Hufmechanismus ist das Weitwerden und wieder Verengen der Hufkapsel gegenüber dem innen liegenden Knochen, der ja seine Form nicht verändert. Dabei ist einmal viel Platz zwischen Knochen und Hornkapsel und einmal wenig. Es kann im weiten, belasteten, Huf Blut in die Kapillaren der Huflederhaut einfließen und bei Aufheben des Hufes (enger Zustand der Kapsel), wird es aus den Venenkapillaren ausgedrückt und fließt hoch in den Kronwulst. Durch diesen Wechsel funktioniert der Huf wie eine Blutpumpe an der tiefsten Stelle der Blutzirkulation. Das ist nötig, um das Blut wieder hinauf in den Thorax zu bringen.  Insofern wird in manchen Gegenden der Welt von den Hufen als den vier zusätzlichen Herzen des Pferdes gesprochen.“

Dr.med.vet. Hiltrud Straßer

Hufe


 

Zweck und weitere Infos

 Hufbearbeitung dient dem Zweck, die Natur nachzuahmen um

  • Die Gesundheit des Pferdes zu erhalten oder wiederherzustellen
  • Eine natürliche Hufform zu erhalten oder wieder zu schaffen
  • Dabei müssen die natürlichen Hufproportionen und Hebelwirkungen beachtet werden
  • Nur ein Pferd mit natürlicher Hufform ist gesund. Nur ein gesundes Pferd kann genutzt werden. Jede Abweichung von der natürlichen Hufform ist ein kranker Zustand. Kranke Tiere kann man nicht nutzen, sondern muss sie der Heilung zuführen.

Pferdehufe ganzheitlich behandeln – Gesunde Hufe am gesunden Pferd Hiltrud Straßer Sonntag Verlag

Weitere Infos und Bauanleitung für das Straßer-Eimermodell:  www. Hufgesundheit-strasser.com

 

Eimermodell

Text und Fotos: Meike Bölts

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Passion
PASSION denkt nicht in Sparten oder Disziplinen. Das Magazin ist offen und aufgeschlossen gegenüber allen Facetten der Reiterei. Und wir sind überzeugt, dass jeder Pferde-Fan mit der nötigen Offenheit auch von den Erfahrungen, den Ideen und dem Wissen aus anderen Bereichen der Pferdewelt profitieren kann. Eines bleibt immer gleich: unser Partner ist ein Pferd. Und das ist unsere PASSION.

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