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Das simple Geheimnis, warum die Rückenschule an der Longe so erfolgreich ist.

von | Jan 31, 2024 | Ausbildung | 0 Kommentare

Praxis-Trainer-Tipp

Rund über den Rücken – so funktioniert’s

Autor: Horst Becker

Der Pferderücken ist das Zentrum der Bewegung und trägt den Reiter, genau da ist oftmals das Problem.

Während meiner über 30-jährigen Tätigkeit als Trainer begegnete mir das Problem „Pferderücken“ in allen Facetten beinahe täglich. Dabei wäre es mit ein wenig Geduld, Fleiss und Konsequenz an Reiter und Pferd leicht zu lösen. Ein sich locker bewegendes Pferd ist die Voraussetzung für jedes erfolgreiche Training, egal ob ich ein Dressur-, Spring-, Island- oder Westernpferd trainiere und welchen Reitstil ich pflege.

Um ein Pferd erfolgreich an der Longe zu trainieren, benötigt man keinen großen Aufwand an Ausrüstung. Ein einfacher Kappzaum, eine Longe und eine kurze Fahrpeitsche genügen.

Ein sich locker bewegendes Pferd ist die Voraussetzung für jedes erfolgreiche Training, egal ob ich ein Dressur-, Spring-, Island- oder Westernpferd trainiere und welchen Reitstil ich pflege.

Punkt 1 der Skala der Ausbildung beim Pferd

Der erste Punkt der Ausbildungs-Skala ist Takt, dies ist der zweite wichtige Orientierungspunkt in der Rückenschule. Man arbeitet das Pferd so langsam, dass es sich im Schritt wirklich im Viertakt bewegt. Das bedeutet, dass man alle vier Beine beim Arbeiten fokussiert und somit genau beobachtet, dass immer nur ein Bein in Bewegung ist. Nur dann bewegt sich das Pferd im Viertakt, nur dann lässt der Rücken wirklich los. Bei vielen Pferden ist es gar nicht so einfach, weil sie in dieses ruhige Tempo gar nicht gehen wollen. Eine konsequente Führung am Kappzaum sowie die eigene Körperhaltung, bei welcher man sich etwas vor den Kopf stellt und somit den Horizont des Pferdes verkleinert, ist hilfreich, um das Pferd langsam, aber fein zu arbeiten.

Sollte das Pferd massiv dagegen gehen, helfen Führübungen. Man lässt das Pferd am Kappzaum Schritt gehen und hält dabei seine Position am Kopf bei, hält an und dreht seinen Körper gegen das Pferd und lässt es dann mit kleinen Zeichen am Kappzaum nach hinten weichen.

Die Seite, auf der die Muskulatur des Pferdes verkürzt ist, ist die hohle Seite. Stellt man dieses Pferd nach rechts, wird es aus dem Gleichgewicht kommen, wenn die Dehnfähigkeit der linken Seite nicht richtig trainiert ist.

Grafik: Athletisches Pferd – Cadmos Verlag

Nun beginnen wir mit der eigentlichen Rückenarbeit. Sie ist sehr simpel und genauso simpel wie sie ist, so schwierig ist sie auch, weil man muss es konsequent und fein durchführen muss. Nachdem das Pferd 10 bis 15 Minuten auf dem großen Zirkel Schritt gegangen ist, rufen wir es herein und lassen es auf einer Volte von etwa 3 Metern seitwärts um uns gehen, dabei wird das Pferd am Kappzaum mit feinen Signalen gebogen und ganz kurz genommen, so dass man mit der linken Schulter auf der linken Hand etwas den Horizont verkleinert.

Gleichzeitig arbeitet man das Pferd mit der Bogenpeitsche vom inneren Hinterbein durch die äußere Schulter. Beim Reiten würde man das Pferd niemals so viel biegen, weil es dann seinen statischen Spannungsbogen verlieren, das Reitergewicht schlecht ausbalancieren und auf die äußere Schulter fallen würde. An der Longe gibt es dieses Problem nicht. Deshalb ist die Rückenschule an der Longe durchs gebogene Pferd so effektiv. Je nachdem, wie extrem hohl ein Pferd ist, arbeitet man die hohle Seite bis zu 80 % der Trainingseinheit. Danach wechselt man die Hand, arbeitet die nächsten 10 %, auf der rechten Hand um eine Dehnung in die linke Seite zu bringen. So erreicht man eine Dehnung der mittlerweile warm und durchlässig gemachten, zu kurzen linken Muskulatur.

Die verbleibenden 10% arbeitet man wieder die hohle Seite, um das Pferd links aus der Spannung zu nehmen, um sie nochmals durchzuarbeiten und somit wieder zu entspannen. Von Woche zu Woche geht man früher von der hohlen Seite auf die nicht hohle Seite des Pferdes. Man merkt genau, wenn man den Wechsel zu früh gemacht hat, denn dann verwirft sich das Pferd auf der rechten Seite nach außen und lässt sich nicht nach rechts biegen, denn die linke Seite ist noch nicht genug durchgearbeitet und somit dehnfähig.

Was passiert im Pferd bei dieser Übung?

Bei dieser Übung verdreht man die langen Rückenmuskeln gegeneinander, weil die Vorhand auf einem kleinen Kreis geht und die Hinterhand auf einem deutlich größeren. Auf diese Art und Weise bringt man die Rückenmuskeln in Bewegung und somit entspannen sie sich und werden länger. Nach 3-4 Runden seitwärts auf dem kleinen Zirkel entlässt man das Pferd wieder im Schritt auf den großen Zirkel. Jetzt ist das Bedürfniss der Dehnung nach unten geweckt.

Foto: Diana Locher-Michel

Nach einigen Wiederholungen erkennt man, dass das Pferd beim Übertreten kaut und im Genick locker wird. Es wird sich beim Rausgehen auf den grossen Zirkel immer mehr in die Tiefe dehnen. Die ruhige, geduldige, fein geführte Wiederholung ist der Schlüssel zum Erfolg.

Zuerst kombiniert man diese Übung nur mit Schritt, später lässt man im Schritt übertreten und schickt das Pferd im Trab hinaus. Nach einigen Wochen üben kann man das Pferd auch im Trab leicht übertreten lassen, auf einer größeren Volte und es beim Rausschicken und Abwenden auf die Zirkellinie mit einem kleinen Ruck an der Longe angaloppieren lassen.
Wichtig: man ist sehr, sehr defensiv beim Angaloppieren mit der Peitsche. Die Dynamik der Übung und das Übertreten schafft Energie; beim Rauslassen auf den großen Zirkel trabt das Pferd bereits an und dehnt sich. Das Abwenden auf den Zirkel ist daher der perfekte Moment zum Angaloppieren.

Und wenn man diese Übung wirklich konzentriert, konsequent und geduldig aufbaut, ist das Pferd sogar in der Lage, im Galopp an der Hand überzutreten und danach in die Tiefe zu dehnen.

Wichtig zu wissen!

In der ruhigen Galopp-Arbeit wird die Rumpfmuskulatur aufgebaut, die letztlich trägt. Wir nutzen zwar den Begriff „Rückenschule“, arbeiten am Rücken aber nur insofern, dass sich der Rücken mehr hebt und lockerer wird.

Ähnlich wie bei uns Menschen ist die Stärkung der Bauchmuskulatur (also Situps) das Mittel, um das Symptom eines festen, beziehungsweise weichen Rückens endgültig aufzulösen. Genau das Gleiche gilt beim Pferd im Schritt und im Trab: ich löse es mehr, mache seine Oberlinie länger und flexibler und öffne die jeweilige äußere Schulter.

Der Galopp beim Pferd ist wie Situps bei Menschen. Und nur in der Galopparbeit nach dem Lösen wird die Muskulatur aufgebaut, die das Reitpferd benötigt, um sich zu versammeln, sich und das Reitergewicht zu tragen und rhythmisch, kraftvoll und balanciert in der Bewegung unterwegs zu sein. Das ist heute im Training eines Pferdes, ausgenommen in der Western Reiterei, wohl das grösste Problem: die Pferde werden zu wenig galoppiert.

Diese Übung hat einige Facetten in den Auswirkungen, die uns später unter dem Sattel helfen und welche die körperlichen Voraussetzungen für die Arbeit unter dem Sattel herrlich entwickeln. Beim seitlichen Übertreten im Schritt verdrehen sich die langen Rückenmuskeln regelmäßig gegeneinander. Das geschieht, weil die Vorhand auf einem kleinen Zirkel läuft und die Hinterhand auf einem größeren Zirkel.

Durch die unterschiedlichen Frequenzen zwischen Hinterhand und Vorhand wird diese Verdrehung im Rücken ausgelöst. Dieser Effekt wirkt in erster Linie lösend auf die Oberlinie, so dass das Pferd sich mit der Zeit sehr schön und frei tragend vorwärts-abwärts dehnt. Im zweiten Schritt, wenn man das seitliche Übertreten mehr steigern kann, weil das Pferd es mittlerweile umsetzen kann, wird die seitliche Bauchmuskulatur aktiviert, die Rumpfträger sozusagen gestärkt. Genau dieser Effekt, die Dehnung der Oberlinie und die Stärkung der Rumpfträger, machen ein gutes Reitpferd aus.

Auch in der Sattelarbeit kann die Rückenschule grosse positive Effekte bringen. Und gerade im Winter ein zufriedenes Reitpferd. | Foto: Diana Locher-Michel

Gerade im Winter oder mit jungen Pferden, die man auf die Arbeit unter dem Sattel vorbereitet, kann die Rückenschule eine Reizsituation deutlich entspannen. Sie ist ideal für nervöse und spannige Pferde, die beispielsweise durch geringere Bewegung im Winter (weil sie nicht auf die Koppel können) oder tiefere Temperaturen nervös und spannig sind. Sie kann man dann vor dem Reiten also schon mit Sattel und Trense in der Rückenschule arbeiten und anwärmen. Man macht einfach den Kappzaum über den Trensenzaum. Bei guter Vorarbeit an der Longe wird das Pferd nach kurzer Zeit locker werden und sich in die Tiefe dehnen.

Denn gerade die Rückenschule hat neben den wunderbaren Effekten auf den Pferdekörper auch noch einen beruhigenden Effekt auf die Psyche des Pferdes. Nervöse und unruhige Pferde finden ihren Rhythmus, über welchen sie im Kopf gelassener und konzentrierter werden.

In einem lockeren, kraftvollen Körper ruht ein gelassener Geist.

Aus dieser Arbeit heraus entwickelt sich immer eine gute Galopp-Kultur, den gerade der Galopp ist ruhiger Rhythmus, welcher wiederum viel Muskelaufbau an den richtigen Stellen auslöst und somit einen sehr großen, positiven Effekt auf die spätere Reitqualität des Pferdes hat. Leider beobachte ich immer mehr, dass die Menschen ihre Pferde nicht mehr galoppieren, weil sie Angst davor haben.

Longieren, nicht schleudern

Selbstverständlich achte ich darauf, dass mein Pferd nicht rennt oder meine Longenarbeit einer Schleudertechnik ähnelt, sondern dass das Pferd in seinem Takt rhythmisch und gleichmäßig dahin joggt. Pferde an der Longe zu schleudern, rennen zu lassen, erhöht einfach nur die Umsätze der Tierärzte, Tierkliniken, Physiotherapeuten und Osteophaten. Es hat aber keinerlei positive Wirkung auf das Pferd. Denn ein müdes Pferd ist ein unkonzentriertes Pferd, da der Geist meist vor dem Körper müde wird.

Foto: K. Stuppia

Weiterführende Arbeit!

Auch Springen und Cavalettiarbeit lässt sich ins Longen- oder Doppellongentraining einbauen, auch dies fördert und erweitert den Horizont des Pferdes.

Doppellongenarbeit

Geht es um Takt und Anlehnung, empfehle ich die Doppellongenarbeit.

Doppellongenarbeit ist „Reiten vom Boden aus“. Man treibt ruhig und konsequent das Pferd mit der Präsenz des eigenen Körpers in die Anlehnung, nicht mit der Peitsche oder mit hektischen Stimmkommandos. Auch hier gilt: Kraft und Erfolg kommen aus der konzentrierten Ruhe und dem taktmäßigen Gleichmass. Dies werden wir in einer späteren Folge darstellen.

Ich trainieren alle meine Pferde zuerst in der Rückenschule, egal, ob es junge Pferde sind, die angeritten werden sollen, oder Trainingspferde in der Weiterbildung oder im Aufbau-Training. Die Rückenschule bildet mir die Basis für ein durchlässiges, flexibles Pferd mit einer großen Gelassenheit im Kopf. Sie schafft aber auch das Verständnis für die Seitengänge und die Beweglichkeit, welche ich brauche, um Renvers und Travers in die Arbeit einzubauen.

Ein Pferd, das in der Rückenschule durchgearbeitet ist, ist zweidimensional gearbeitet und somit besser balanciert. Es wird einen leichteren Einstieg in die höheren Lektionen der Dressur finden.

Mein Ziel ist es, mehr Menschen – egal welchen Hut bzw. Stiefel sie tragen – für dieses alte Wissen und die traditionelle Reitkunst zu begeistern. Für die Pferde und ihre so verletzlich und feine Energie.

Horst Becker

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Schreiben Sie mir gerne info@horstbecker.com

Mehr erfahren?

Es gibt in der Schweiz, Deutschland und Österreich spezielle Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Probleme mit dem Pferderücken und ihre Symptome und Ursachen
  • Anlehnung
  • Takt und Lossgelassenheit, mein Pferd läuft mir weg
  • Sattel- & Sitz-Probleme
  • Die kleine Sitz & Sattelpass-Schule
  • Lösungsansätze am Boden

Meine Seminare sind offen für alle Rassen & Reitstile, mit aktiver und passiver Teilnahme! Wir entwickeln ein für Sie nachhaltiges, nachvollziehbares Trainingsprogramm, damit Sie mit Spaß und Erfolg zu Hause weiter trainieren können.

  • Übertrag in die Arbeit unter den Sattel, für eine nachhaltiges Training. Das individuelle Training mit dem einzelnen Reiter und Pferd unter dem Sattel orientiert sich an den Grundsätzen klassischer Dressur, und wird, wenn nötig, durch Bodenarbeit unterstützt z.B.
  • Doppellonge „Reiten vom Boden aus“. vor allem für die Verbesserung von Takt und Anlehnung. Aber auch Paraden und Seitengänge lassen sich sehr gut an der Doppellonge verbessern.
  • In der Rückenschule an der Longe & unterm Sattel steht das Lösen des Pferderückens und der Aufbau der Rücken- und Rumpfmuskulatur im Vordergrund.
  • Arbeit an der Hand kann neben der Piaffe schon viel früher in der Ausbildung die Kommunikation für Übungen und Lektionen erarbeiten und verbessern. Auch Übungen zur Rückenstärkung beim Pferd finden hier Anwendung, dies ist gerade bei Pferden mit weichem Rücken wichtig.

Live-Seminare und Online Webinar zum Thema:

Schweiz:

  • 18. Februar 2024 Online-Webinar Rückenschule mit Horst Becker. Anmeldung für die Schweiz
  • 6.-8. Sept. 2024 live in Bern: HB-Seminar „Rund über den Rücken“ am Boden und unterm Sattel
  • 24.-26. Mai 2024 live in Laufen: HB-Seminar „Rund über den Rücken“ am Boden und unterm Sattel

Europa:

  • 18. Februar 2024 Online-Webinar Rückenschule mit Horst Becker. Anmeldung für Europa
  • 21. – 23.05.2024 Münsterland Rund über den Rücken – Seminar geleitet & moderiert Horst Becker im Reitzentrum Reken

Weitere Termine sind geplant. Infos auf meiner Webseite

Rückenschule an der Longe

Dieser Beitrag findest Du auch im PASSION 1/2024 

Horst Becker im Interview bei AUF TRAB:

Nur ein runder Pferderücken kann entzücken

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