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Wie Phönix aus der Asche

von | Feb 15, 2023 | Psychologie, PASSION | 0 Kommentare

Vom unreitbaren Pferd zum Champion

Wenn Märchen – mit viel Geduld – wahr werden

Autor: Schweizer Reitmagazin PASSION

Wenn sich ein unreitbares Pferd zum Champion mausert hat das etwas Märchenhaftes. Die Geschichte von Campari Z, Besitzerin Riccarda Wenger und Reiter Elian Baumann, ist ein Märchen, das wahr wurde.

Schon die Geburt von Campari Z verlief problematisch. Das Fohlen konnte die Biestmilch nicht trinken und musste im Tierspital aufgepäppelt werden. Trotzdem sollte Campari bei der Züchterfamilie Vanderwaeren das zukünftige Freizeit- und Springpferd von Tochter Kim werden. Für die Familie stand die seriöse Ausbildung an erster Stelle und man entschied sich, das Jungpferd in Beritt zu geben. Zwar zeigte Campari beim Freispringen Talent, liess sich aber nur schwer reiten. Grosse Probleme bereitete das Verladen und im Parcours galt er gar als unreitbar. Die Züchterfamilie beauftragte fünf verschiedene Ausbildner. Seine heutige Besitzerin Riccarda Wenger erzählt: «Es konnte sich keiner erklären, was der Auslöser für sein Verhalten war. Es gab kein schlechtes Schlüsselerlebnis, er wurde von Tierärzten untersucht und man probierte mit verschiedenen Herangehensweisen die Probleme zu lösen. Ohne Erfolg.»

Zwei Herzen, die sich gefunden haben.

Liebe auf den ersten Blick

Als Campari siebenjährig war, sah die Züchterfamilie keine Chance mehr auf Besserung und verkaufte ihn in die Schweiz. Das Schicksal wollte es, dass er an den Betreiber des Stalles veräussert wurde, in dem Riccarda ihr damaliges Reitpferd eingestallt hatte. Sie blickt zurück: «Mir gefiel der Braune sofort. Doch die dortige Reiterin kam mit ihm auch nicht zurecht und war nicht motiviert, weiter mit ihm zu arbeiten. Er zeigte zwar in Ansätzen, dass er springen konnte, war aber oft unkontrollierbar oder blockierte. An schlechten Tagen sprang er nicht einmal Cavalettis.» Es ergab sich aber, dass an einem Tag niemand Zeit für Campari hatte und Wenger sich anerbot, ihn auszureiten. «Im Gelände ging er überraschend brav und war ein richtiger Schatz.»

Da der Besitzer keinen geeigneten Reiter hatte, aber doch Potential in Campari sah, gab er ihn nach nur zwei Wochen nach Italien zu einem Profispringreiter. Es resultierte ein weiterer Reinfall.

Riccarda erzählt: «Der Italiener rief nach zwei Tagen an und meinte, es mache keinen Sinn, er werde niemals ein erfolgreiches Springpferd. Also wollte man ihn dort verkaufen. Doch niemand zeigte Interesse am schönen aber schwierigen Pferd.»

So entschied sich der Besitzer im März 2015, Campari aus Italien zurück zu holen und Wenger begleitete ihn. Sie lächelt: «Auf dem Rückweg habe ich entschieden, mich nicht mehr von ihm zu trennen. Ich hatte Mitleid, weil er keine Liebe bekam und ihm niemand Vertrauen schenkte.»

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Steiniger Weg

Schnell zeigte sich, dass viel Geduld nötig war. Riccarda rückblickend: «Campari war gebrochen, hatte kein Selbstvertrauen und wartete regelrecht auf negative Reaktionen von mir, wenn ich im Sattel sass.» Also ritt sie ihn vier Monate täglich aus. «Ab und zu ritt ich ihn auf dem Sandplatz, aber wenn er nervös wurde, gingen wir wieder am langen Zügel in die Natur. Manchmal war ich mit meiner Geduld fast am Ende, doch ich fühlte, dass in ihm mehr sein musste als er anbot.» Das habe ihr immer wieder Mut gegeben.

Campari bekam Vertrauen und liess sich auf kurze Springtrainings ein. Riccarda selbstkritisch: «Er war aber zu stark für mich. Manchmal brannte er nach jedem Sprung durch. Trotzdem startete ich mit ihm an einem regionalen Concours und spürte sein enormes Springvermögen. Zudem war er auswärts erstaunlicherweise einfacher zu reiten als daheim.» So beschloss sie, für ihren Braunen jemanden zu finden, der ihn fördern konnte.

Die Wahl fiel schlussendlich auf Elian Baumann. «Ich habe Elian schon als Teenager gekannt und mochte seine Reitweise und sein Gefühl für Pferde», so die Besitzerin. Baumann sagte zu, Campari einmal zu reiten. Er erinnert sich: «Heute kann ich darüber lachen, aber damals kam ich mir vor wie ein Kasper. Er war unrittig und ich brachte ihn kaum über einen Meter. Aus Goodwill ritt ich ihn nochmals und teilte Riccarda dann mit, dass sie weder Zeit noch Geld in dieses Pferd stecken sollte.» Er stiess bei ihr aber auf taube Ohren und wurde überredet, es weiter mit Campari zu probieren.

Obwohl Baumann nicht glaubte, dass Campari auswärts rittiger sei als daheim und er befürchtete, seinen Ruf zu ruinieren, willigte er im Sommer 2016 ein, in Root LU über 1.25 m zu starten. Und den beiden gelang eine Nullrunde, wenn auch mit Zeitüberschreitung. Der Reiter heute: «Überraschenderweise war das Pferd tatsächlich viel besser als ich glaubte und hatte eine Chance verdient.» Anfangs blieben Spitzenränge aus, weil Besitzerin und Reiter entschieden, Zeitfehler in Kauf zu nehmen. Das zahlte sich aus und bald schon sprang Campari über 1.45 m, klassierte sich auf Anhieb und gewann ein Jahr später den ersten Grand Prix in Lignières über 1.55 m.

Mit Elian Baumann an der verdienten Feier nach dem Gewinn der EM-Goldmedaille mit der Mannschaft.

Erfüllte Träume

Riccarda erinnert sich: «Mir ging das Herz auf vor Freude, ich blieb aber realistisch. Elian hat mich gewarnt, dass es bei einem so schwierigen Pferd plötzlich Rückschritte geben könne. Diese blieben aber aus.» Stolz lud sie Videos von Campari auf Youtube und wurde von der Züchterfamilie gefunden. Kim Vanderwaeren hatte nach ihrem einstigen Problemfohlen gesucht und fand die Filme. «Sie schrieb mich an und erzählte mir ihre Geschichte. Seither sind wir in Kontakt. Die Familie hat sich sogar ein Wohnmobil gekauft und reist an viele Turniere, bei denen Elian und Campari starten.»

Campari steigerte sich weiter, dem speziellen Training blieb das Team treu. «Ich gehe fast täglich mit ihm ins Gelände. Dort arbeite ich ihn auch dressurmässig und trabe oft bergauf. Dazu longiere ich ihn und einmal pro Woche fahre ich ihn zu Elian», so die Besitzerin. Zudem wechselte sie Anfang 2018 den Stall, damit Campari eine Auslaufbox bekam, was ihn nochmals entspannter werden liess. 2018 war auch das Jahr, in dem Elian Baumann spürte, dass die Reise mit Campari weiter gehen könnte als jemals gedacht. Sie absolvierten Turniere in Italien und bekamen eine Startmöglichkeit am 4*-Turnier in Crans Montana, wo sie eine Prüfung der grossen Tour über 1.50 m gewannen. Der damalige Equipenchef Andy Kistler wurde aufmerksam und bot das Paar für die Morocco Royal Tour auf. In Rabat bestritten Elian und Campari ihren ersten Nationenpreis mit einmal 4 und einmal 0 Strafpunkten und konnten den ersten Sieg mit der Equipe feiern.

Nun weltbekannt

2019 durften Elian und Campari erneut an der Morroco Royal Tour teilnehmen und wurden unter anderem Dritte im GP Ascona 5*. Aber dann kam Corona. Wenger erläutert: «Die Saison 2020 begann spät und es fanden nur wenige Turniere statt. Campari fehlte der Turnierrhythmus. Es wurde eine Saison zum abhaken.»

Umso steiler ging es 2021 wieder bergauf. Das Paar gewann den GP in Aarberg und belegte am CSIO St. Gallen im GP den 6. Platz inmitten der Weltelite. Es folgte der Nationenpreis-Sieg in La Baule, der Sieg im GP von Gorla Minore und als Krönung das Aufgebot für die EM in Riesenbeck (D). Riccarda schmunzelt: «Vor Jahren haben wir gewitzelt, dass wir mit Campari einst an einem Titelkampf teilnehmen. Dass es wahr geworden ist, ist ein Traum. Wir haben vieles richtig gemacht und das Glück war auf unserer Seite.»

Wie das Märchen weiter ging, ist bekannt. Elian und Campari Z durften den Europameister-Titel mit der Mannschaft feiern und wurden weltbekannt. Auf die Zukunft angesprochen sagen Riccarda Wenger und Elian Baumann: «Campari muss nichts mehr beweisen, aber wir träumen von Olympia 2024 in Paris. Danach könnte unser Champ siebzehnjährig in Pension gehen.» Auch das könnte wahr werden, denn das einstige Problempferd lässt Wunder geschehen.

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Bildquelle aller Fotos: Privat

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